Léon Braconnier

Brücken bauen …

Die Medien, ob TV, Zeitung, Zeitschrift, Radio oder Internet, werden mehr und mehr zu Multiplikatoren schlechter Nachrichten. Von Attentaten, Naturkatastrophen, Entlassungen, neuen Krankheiten, Skandalen, Doping, Prozessen, Korruption bis zum banalen Verkehrsstau und Schlechtwetter am Wochenende, alles Negative verkauft sich bestens. Aber sind wir tatsächlich so gierig auf Hiobsbotschaften? Möchten wir wirklich all das erfahren, jeden Tag, die Enthauptung einer weiteren Geisel, den Missbrauch in der Frankfurter Strasse, den Selbstmord der TV-Sprecherin? Informationen ja, doch sind Nachrichten, die vor allem menschliches Leid vermitteln, nicht Müll für unsere Ohren, Gift für unsere Gedanken, Bremse für unser Entfaltung? Die Grenze zwischen Information und Voyeurismus ist vage, Ersteres zu oft Feigenblatt für das Zweite.

 

Im Laufe eines Lebens sammeln sich Unmengen an Informationen, Bildern, Klängen, Eindrücken, Gefühlen. Alles wird auf ewig gespeichert. Da braucht es schon die Gabe, Positives heraus zu filtern, um dem Negativen nicht den Hauptbestandteil unseres Denkens zu überlassen. Wie gut tut es manchmal, einen nachrichtenfreien Tag einzuplanen! Oder wie wäre es mit einer medialen Auszeit, ohne Internet, Email, SMS, ja ohne Telefon und Handy? Den Wert eines Gesprächs (wieder)entdecken, sich dem Glück einer Lesestunde hingeben, sich von Musik berauschen lassen!

 

Braucht unser Heimatplanet nicht dringend Vermittler, Schlichter, Entzerrer, Brückenbauer? Leute, die den Fanatismus, den Nationalismus, die Intoleranz entsorgen, alles Sondermüll erster Klasse. Wir benötigen Menschen, die verstehen, die das Zuhören nicht verlernt haben, die helfen zu versöhnen. Deeskalation wird dringend gesucht, jede Form von Scharfmacherei gehört in die Verbannung.

 

Und wer versucht ernsthaft, Brücken zu bauen…

 

…zwischen den Religionen, zwischen den Kontinenten, zwischen den Nationen, zwischen Nord und Süd, zwischen Osten und Westen, zwischen Pazifik und Atlantik, zwischen Frauen und Männern?

 

Eine Brücke zwischen dem Islam und dem Christentum. Eine Brücke der Toleranz, der Freiheit, des Akzeptierens anders zu sein. Vielleicht würde man dann die Bibel in Saudi Arabien lesen können, ohne die Todesstrafe zu riskieren. Vielleicht könnten dann auch die Christen dort ein Gotteshaus errichten wie die Muslime eine Moschee bei uns.

 

Ein Traum, wenn die Frauen, überall auf der Welt, auf der gleichen Stufe stehen könnten wie die Männer.

 

Eine Brücke zwischen Afrika und Europa, und die Schlepper und Menschenhändler würden arbeitslos. Das Mittelmeer wäre kein Friedhof mehr für tausende Menschen, die ein besseres Leben herbeisehnten. Eine Brücke, um besser teilen zu können. Ja, es wäre famos, die längste Brücke der Welt zu planen, um schneller helfen zu können.

 

Eine Brücke zwischen den Nationen, und schon wären alle Kriege überflüssig. Die Waffenhändler würden sich umschulen und Fahrräder bauen. Oder Friedensblumen züchten.

 

Grenzen abschaffen, vor allem die Grenzen in den Köpfen der Menschen, Grenzen gezogen mit dem Federstrich des Misstrauens, mit der Voreingenommenheit unterschrieben, mit dem Siegel der Intoleranz beglaubigt.

 

Brücken bauen zwischen den Kontinenten, gäbe es nicht das Streben nach Macht, nach Dominanz. Brücken bauen, damit der andere sein Gesicht wahren kann. Präsident Obama, kürzlich in seiner Rede zur Lage der Nation : „Heute steht Amerika stark und gemeinsam mit unseren Verbündeten da, während Russland isoliert ist und seine Wirtschaft in Fetzen liegt“. Mag sein, dass das bei der eigenen Wählerschaft gut ankommt, weitsichtig klingt anders. Die Befindlichkeit des anderen nicht verletzen ist in Wirklichkeit ein Zeichen von Groβmut und wahrer Stärke. Die Hand reichen, auf die Gefahr hin, dass Groβzügigkeit als Schwäche interpretiert wird.

 

Immer mehr und immer wieder denke ich in der letzten Zeit an die herausragende Bedeutung der Steichen –Ausstellung „The Family of Man“, deren Tragweite hierzulande immer noch nicht überall eingesehen wird. Mag sein, dass die Idee von Rosch Krieps, die „Family of Man“ zu einem universellen Zentrum des Friedens anwachsen zu lassen, utopisch war. Wahrscheinlich war es, wie so viele Friedenshoffnungen, ein Traum. Aber was für einer!