René Maertz
Ceterum censeo
« … petit à petit nous mettrons Le canton sans deffense »
Nach und nach geben wir den Kanton der Wehrlosigkeit preis!
Dieser Satz wurde vor fast 200 Jahren von Commissaire Lejeune, dem Hauptvertreter der jungen französischen Republik im Kanton Clerf, niedergeschrieben und an die Zentralverwaltung in Luxemburg adressiert.
Geschichte wiederholt sich; nach zwei Jahrhunderten überrascht die Aktualität von Lejeunes Aussage. Heute mehr denn je wird die Wehrlosigkeit des Kantons augenscheinlich. Hinzu kommt, daß man eine geradezu fatalistisch anmutende Gleichgültigkeit gegenüber der erzwungenen Abwanderung der Jugendlichen und dem massiven wirtschaftlichen Rückgang innerhalb der Kantonsgrenzen feststellen muß.
Da fragt man sich, ob nicht etwa eine – vorläufig noch satte – Nonchalance, ein Nicht-bewußt-werden der Gefahr oder sonstige Scheuklappen das stete Abgleiten unserer Region in landespolitische Bedeutungslosigkeit begünstigt haben und noch immer begünstigen.
Deprimierend jedenfalls muten einige Interventionen (in der Öffentlichkeit und in der Abgeordnetenkammer) an. Während man nämlich für Nebensächlichkeiten alle Register der politischen Orgel zog, wagte man von der unhaltbaren Lage des Nordkantons kaum zu flüstern.
Da ist es an der Zeit, deutlich und mit allen zulässigen Mitteln auf die jahrzehntelange Krise des Kantons hinzuweisen, sie zu analysieren, ihre Evolution zu verfolgen und die Volksvertreter – sofern sie sich überhaupt des Problems bewußt sind und sofern ihnen daran liegt, sich für die Belange unserer Region einzusetzen – auf die Priorität der angesprochenen Probleme zu verweisen. Da Volksvertreter demokratisch gewählte Repräsentanten aller Bürger sind, dürften sie sich eigentlich nicht an der Verantwortung, die sie allen Bürgern gegenüber tragen, vorbeidrücken. Und im Falle unseres Kantons schon gar nicht mit dem nun schon lästig anmutenden Argument, in allen ländlichen Gegenden hätte man es mit denselben Problemen zu tun. Das stimmt nun einmal nicht; topographische und klimatische Bedingungen unterscheiden den Kanton Clerf deutlich von anderen Teilen des Landes. Daß diese Bedingungen und ihre Folgeerscheinungen dem sowieso schon abseits liegenden Kanton zum Vorteil gereichen, das müßte eigentlich unseren Volksvertretern – auf allen Ebenen – schon längst aufgefallen sein. Immerhin beginnen viele Nordspitzler sich mehr und mehr für die prekäre Lage des Kantons zu interessieren. Dies ist nun eine hoffnungsvolle Entwicklung und eine Hauptvoraussetzung für eine Wende zum Besseren. Denn jede Aufwärtsbewegung wird vor allem von der einheimischen Bevölkerung ausgehen müssen.
Und auch von jenen, die in den Kommunalbereichen die Verantwortung tragen. Nun muß aber festgehalten werden, daß seit dem Ulflinger Rundtischgespräch vom 4. Juli dieses Jahres kaum erfolgversprechende Reaktionen zu bemerken waren. Das lauthals versprochene « Comité d’action » ist bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Es scheint also als wäre es wieder einmal am « Cliärrwer Kanton », die notwendigen Schritte zu unternehmen.
Zur Jahreswende sei es erlaubt, einen erklärenden und bilanzierenden Rückblick auf die Tätigkeit unseres Vereins zu werfen.
Den Gemäldeausstellungen von Roger Bertemes und Jean Goedert war ein voller Erfolg beschieden. Der mit Diaprojektionen untermalte Vortrag von Joseph-Emile Müller über nicht-figurative Malerei sowie die Vortragsabende über das architektonische Patrimonium unserer Gegend von Georges Calteux haben einen exzellenten Eindruck hinterlassen. Desgleichen haben die Diakonferenzen von Professor Norbert Thill über die Baudenkmäler unseres Landes ein nachhaltiges Echo geweckt. Zum Jahresende wird Gust Graas eine Ausstellung seiner Gemälde im alten Clerfer Schloß eröffnen.
Die « table ronde » vom 4. Juli in Ulflingen hat den einzelnen Referenten ein ordentliches Stück Arbeit abverlangt. Sieht man nämlich von der überraschend großen Publikumsbeteiligung ab, so war das bemerkenswerteste Resultat dieser Diskussionsrunde die Erarbeitung – und zwar die völlig kostenlose Erarbeitung – präziser Daten über die sozioökonomische Entwicklung der Nordspitze.
Der Verein hat bisher drei Nummern seines Bulletins herausgegeben. Diese wurden sowohl von unseren Mitgliedern als auch von den Medien sehr positiv bewertet. Wir machen uns natürlich nichts vor; wir wissen sehr wohl, daß manches besser gemacht werden könnte. Bedenkt man aber, daß die Finanzlage des Vereins es nicht einmal gestattet, die Autoren der Text- und Bildbeiträge zu entschädigen, so wird deutlich, daß im Augenblick nicht daran zu denken ist, unsere Zeitschrift weiter auszubauen.
Jedenfalls glaube ich im Namen aller Mitglieder zu sprechen, wenn ich unseren Autoren und Konferenzlern einen herzlichen Dank ausspreche. Besonders gilt dies für den verantwortlichen Redakteur, Herrn Alex Jacoby. Dank auch allen Mitgliedern, allen Freunden und den Gemeindeverwaltungen, die den Verein finanziell unterstützt haben.
Der Verein konnte im Laufe des Jahres aus finanziellen Gründen nicht alle seine Pläne verwirklichen. Wir möchten aber darauf hinweisen, daß sie keineswegs in Vergessenheit geraten sind.
Im Namen des Vorstandes des « Cliärrwer Kanton » wünsche ich unseren Mitgliedern ein gutes Jahr 1981.