Jean Jaans

Notizen zu unserer Generalversammlung

"De Cliärrwer Kanton » sieht sich in Selbstdarstellung als "Veräin fir d’kulturellt Liäwwen », wobei der Kulturbegriff sich jedoch keineswegs auf historisch-nostalgisch begründete Tätigkeiten und rein schöngeistige Veranstaltungen beschränkt. Faßt man die Orientierung auf das kulturelle Leben auch von der sozio-kulturellen Seite her auf – und Präsident René Maertz hat das bei Gelegenheit unserer Generalversammlung vom vergangenen 16. Mai in Munshausen bewußt getan – wird man nicht daran vorbeikommen, auch sehr realitätsbezogenen Problemen ein Augenmerk zu widmen: Ohne soliden Unterbau im wirtschaftlich-sozialen Bereich kann eine Region wie der Clerfer Kanton nicht bestehen; 9500 Einwohner bzw. 2,8% der Gesamtbevölkerung auf 12,5% der Landesoberfläche können auch nicht im Kulturellen zufrieden und wunschlos sein, wenn zahlreiche Fragen wie Beschäftigungspolitik, sozialer Wohnungsbau, Transport- und Verkehrswesen, Gesundheitspflege, Einpflanzen neuer Unternehmen, wohlverstandene touristische Expansion usw. Probleme ohne echte Lösungen bleiben. Selbst die bestgemeinte und wohlgemerkt noch viele Wünsche offenlassende "Animation culturelle » kann unter solchen Umständen nur Alibi-Funktionen erfüllen.


"Wir wollen der Bevölkerung im Kanton seit April 1979 ein Gefühl von Identifikation vermitteln » erklärte Präsident Maertz: "Wir fühlen uns als Öslinger mit allen Nachteilen und Vorzügen, die das beinhaltet. Wir kennen die Probleme, die unweigerlich aus der geographischen Entfernung zu den Macht- und Entscheidungszentren entstehen; was das Klima an Überraschungen zu bieten hat, erfahren wir regelmäßig, und wir haben bisher immer versucht, in Kontaktnahmen und Verhandlungen objektiv und gemäßigt zu bleiben. Aber das kann nicht verhindern, daß die Lage an der Nordspitze ernst ist. Die bestgemeinten kulturellen Anstrengungen benötigen solide Voraussetzungen im Sozialen und Wirtschaftlichen! »


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Beachtens- und begrüßenswert ist die Tatsache, daß Abgeordnete und Kommunalpolitiker unserem Verein Interesse und Sympathie bekunden, und mit Genugtuung erinnerte Präsident Maertz an die Versammlung in Hosingen vom 7. Dezember 1981, bei welcher Gelegenheit Politiker aller Parteien sich bereiterklärten, einen gemeinsam unterzeichneten Brief an Staatsminister Pierre Werner zu schicken. Dieser Brief gab den Anstoß zu einer umfassenden Studie der besonderen Probleme im Kanton Clerf, aber die Ergebnisse und Empfehlungen wurden nicht bekanntgegeben und unserem Vorstand nicht übermittelt. Es heißt, die interessierten Ministerien sollten sich weiter Gedanken über Lösungsvorschläge machen, nachdem der Ministerrat sich einmal kurz mit den Schlußfolgerungen befaßte. Über einer Ping-Pong-Partie vergeht zwar Zeit, aber gleichzeitig mögen auch Unmut und Enttäuschung wachsen!

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Kein Anlaß zu Unmut, wohl aber Grund zu Lob und Dank verdient die Gemeindeverwaltung von Weiswampach, die sich spontan bereiterklärte, an der Finanzierung der Druckkosten für die einmalig bedeutsame Bio-Bibliographie des Kantons Clerf von Prof. Jos. Goedert aktiv und fühlbar teilzunehmen. Auch der Gemeinde Clerf schulden wir ein herzliches "Merci », weil man uns einige Räume am Sitz des Friedensgerichtes zur Verfügung gestellt hat.


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Dem Ministerium für kulturelle Angelegenheiten sind wir bisher im Zusammenhang mit der vorerwähnten Bio-Bibliographie (noch) nicht zu besonderem Dank verpflichtet. Jemand fragte scharf pointiert, wozu wir eigentlich ein besonderes Kulturministerium brauchten, wenn eine derart gründliche und interessante Arbeit nicht auch durch den Staat tatkräftig und finanziell ansehnlich anerkannt werde. Wir notieren hinzu: Müssen wir als Vorstand denn immerfort bitten und betteln, um auch einige außerordentliche Subsidientropfen nach Clerf zu lenken oder könnten und müßten die Experten und Beamten aus der hohen Kultursphäre nicht auch einmal von sich aus und einfach so hingehen und außergewöhnliche Leistungen auch durch besondere Hilfe anerkennen und fördern?


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A propos außergewöhnlich: Von unseren 1200 treuen, i.e. gleichzeitig auch ihren Beitrag zahlenden Mitgliedern weist die Statistik 110 in Clerf aus, 66 in Ulflingen, 32 in Hosingen, während der Großteil im Süden und Zentrum des Landes wohnt (davon beispielsweise 164 in der Hauptstadt). Wäre hier nicht eine außergewöhnliche und zähe Werbeaktion im Kanton selbst geboten, um zusätzliche moralische Unterstützung und finanzielle Mittel bei der "einheimischen » Bevölkerung zu gewinnen?


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Da wir offenbar nicht von dem Stichwort "Finanzen » loskommen, sei festgehalten, daß die drei Nummern unserer Zeitschrift im Jahre 1982 insgesamt 462.700,- Franken kosteten; 1983 rechnen wir mit 515.000,- Franken. Von 1979 bis 1983 haben wir 11 Nummern mit insgesamt 640 Seiten herausgegeben. Die Arbeit begann mit 40 Seiten pro Heft, steigerte sich auf 56 und 64 Seiten und landete schließlich bei 72 Seiten. Für das "Gebotene » ist ein Jahresbeitrag von 350 Franken keineswegs zu hoch, trotzdem denken wir kurzfristig nicht an neue Lasten für Freunde und Gönner – Solidaritätssteuer und höhere TVA und Briefporto und Lotto Steuer waren ohnehin sehr schmerzhaft!


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Erfreulich, daß die Generalversammlung die Mandate der statutengemäß austretenden und neu kandidierenden Vorstandsmitglieder Alex Jacoby, Aloyse Konen, René Maertz, Aloyse Nosbusch und Robert Wierz erneuerte; begrüßenswert aber sind auch die Kooptationen von Léon Braconnier (Clerf), Francis Breyer (Wintger), Victor Kratzenberg (Clerf) und J.-B. Stempel (Munshausen). Neue Namen bürgen auch für neue Ideen und Initiativen!


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Interessant und nützlich in vielen Beziehungen war nach der eigentlichen Generalversammlung auch der Vortrag von Frl. Christiane Steinmetzer, Vertreterin von "Sites et Monuments Nationaux », über stilgerechte Restaurierung von Häusern im ländlichen Milieu. Auf Denkanstöße und Vorschläge nach diesem Vortrag werden wir zurückkommen.