Léon Braconnier

…dans ce petit pays, ce grand paysage que nous devons sauvegarder…

Beim Lesen der überaus interessanten Nummer « DE NOS ARDENNES » der « Cahiers luxembourgeois » (1988/4) wird das scheinbar Aussichtslose der Lage im Norden unseres Landes einmal mehr auf bemerkenswerte Art vor Augen geführt: auf der einen Seite eine harmonische Landschaft, vom Künstler gepriesen, vom Fremden geschätzt, auf der anderen der so tragische, scheinbar unaufhaltsame wirtschaftliche und demographische Niedergang. Da wird die Rose des Dichters zum Mauerblümchen des Planers.

Ein stetiger, diskreter, fast heimlicher Krebsgang, von den einen als Fatalität, als logische Konsequenz einer sich um die Hauptstadt scharenden Nation abgetan, von den anderen als übertriebene Schwarzmalerei angezweifelt. Von immer mehr Öslingern als das erkannt, was es in Wirklichkeit ist: ein skandalöses Laisser-aller, eine kaum noch gutzumachende Gleichgültigkeit einem strukturschwachen Landesteil gegenüber, der es bisher nicht einem strukturschwachen Landesteil gegenüber, der es bisher nicht zu verstehen scheint, sich mit der adäquaten Entschlossenheit zur Wehr zu setzen.

Dennoch, verschiedene erdrutschartige Verluste bei den letzten Parlamentswahlen haben aufhorchen lassen und sollten jenen Tenoren zu denken geben, welche vermeintliche Erfolgsarien gleich serienweise zum Besten geben. Und auch ohne Applaus nicht mit Zugaben geizen.

Am Beispiel der Nordstraße wird klar, daß man sich nicht zu schämen scheint, immer wieder wesentliche Forderungen der Öslinger Bevölkerung auf der langen Bank sitzen zu lassen. Und gegebene Versprechen bleiben auf der Strecke:

  • 1983: Die Regierung engagiert sich, im Namen von Rationalisation und Automation, keine weitere staatliche Administration abzubauen.
  • 1989: Im Oktober 1989 schließt die Steuerkasse in Clerf.
  • 1984: die Festlegung der Trasse der Nordstraße wird von der Regierung versprochen. Der Bau in Aussicht gestellt, bei entsprechenden finanziellen Mitteln.
  • 1989: Ende der Legislaturperiode. Die Regierung hat nicht Wort gehalten. Von Bau keine Rede, nicht einmal die Trasse ist bestimmt worden.
  • 1989: Regierungserklärung der neuen Mannschaft. Von der absoluten Priorität der Nordstraße, von der in Wahlversammlungen versprochenen Eile, scheint über Nacht nicht viel übriggeblieben zu sein. Statt dessen werden weitere Studien annonciert, gepaart mit orakelähnlichen, vagen Aussagen… Da sind Befürchtungen, welche einer kurzfristigen Realisierung des Projektes kaum Chancen einräumen, leider nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

Was sich in diesem Sommer wieder auf der sogenannten Nordstraße abgespielt hat, spottet jeder Beschreibung. Ein Traktor, ein Lastwagen, ein Wohnwagen wachsen da zur unüberwindlichen Hürde, werden zur Schreckensvision, der Stau läßt grüßen. Dann wird im modernen Großherzogtum, unter dem Auge des Satelliten, Kilometer um Kilometer abgestottert, teilweise im Schrittempo, und so manche Umleitung verhilft zum ungewollten Sightseeing im eigenen Lande. Waghalsige Überholmanöver, eine Touristenattraktion mehr. Mehr als anderthalb Stunden von Luxemburg nach Ettelbrück (+35km) sind in der Sommerperiode durchaus die Regel, eine Zeit in der man problemlos auch die belgische Hauptstadt erreicht. Wer immer noch vorgibt, an der Notwendigkeit einer neuen, modernen Nord-Südverbindung zu zweifeln, dürfte sich in Sachen Transportwesen wohl selbst vom Platz gestellt haben. Der mitunter etwas kindisch anmutende Glaube, das Problem allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln lösen zu können, ist eher Alibiargument zum Weiterdösen als seriöses Gedankengut.

ZUM BAU EINER NORDSTRASSE GIBT ES KEINE ALTERNATIVE

Der schwere Verkehrsunfall Ende Juli 1989 bei Marnach ist ein tragischer Beweis für die eminente Gefährlichkeit der teils zwei- teils dreispurigen Trasse von Ettelbrück nach Wemperhardt. Einmal mehr fordert unsere Vereinigung ein Überdenken dieser Verbindung, den vierspurigen Ausbau, das Ausmerzen der verkehrstechnisch nicht mehr vertretbaren Engpässe.

Erfreulicherweise ist in der neuen Regierung einer der beiden wiedergewählten Abgeordneten aus dem Kanton Clerf mit einem Staatssekretärposten betraut worden, ohne Zweifel eine Aufwertung der Nordregion, welche übrigens nun auch zu Ministerehren gekommen ist. Eine Aufwertung, welche andererseits auch ein Aufleben der Hoffnung erlaubt.

Dennoch, im Kampf der Nordspitze unseres Landes gegen den drohenden Kollaps wird ein Faktor immer wichtiger: die Zeit. Und die Zeit wird denkbar knapp. Verschiedene Evolutionen sind kaum noch rückgängig zu machen.

  • Jeder Abgang eines Haushaltes, besonders einer jungen Familie, hat fatale Auswirkungen auf das ohnehin prekäre demographische Gefüge.
  • Jeder Abbau einer staatlichen Dienstelle kommt einer straffreien Desertion gleich, mit einer bemerkenswerten psychologischen Komponente. Man zeigt ja schließlich, wo’s lang geht!
  • Jedes Hinauszögern vitaler Projekte (Gesamtplan, Nordstraße, Infrastrukturen) verringert den Glauben der Bevölkerung an die Aufrichtigkeit der Entscheidungszentren, dem Norden eine angemessene Zukunft zu garantieren.
  • Operettenhaft anmutende Intermezzos, wie das jahrelange Hick-Hack um den Hosinger Park oder die Ettelbrücker Umgehungsstraße, scheinen gar von einer gewissen Sorglosigkeit zu zeugen, mit verbundenen Augen ganz dicht am Abgrund der Lächerlichkeit wandern

Ob die neue Regierung den Mut zu entscheidenden, durchgreifenden Schritten aufbringt? Ohne Bewilligung eines größeren Hilfsfonds für die Nordspitze, gepaart mit einem durchdachten Konzept, werden wir wohl kaum die Hürde der Almosenpolitik überspringen. Viele Freunde der Nordspitze haben in der Regierungserklärung vergebens nach präzisen, deutlich formulierten, zeitlich definierten, spezifischen Versprechen Ausschau gehalten. So oder so, auch die besten Erklärungen ersetzen keine Taten. Und Taten sind gefordert. Denn der Grad der Dringlichkeit ist längst überschritten.

Und daß sich unsere Vereinigung noch energischer als bisher für das Überleben des Kantons Clerf einsetzen will, auch daran sollte eigentlich kein Zweifel bestehen.