Léon Braconnier
Wintergedanken
1991 neigt sich seinem Ende zu. « De Kanton Cliärref, e schéint Stéck Lëtzebuerg », so hatten wir unsere große Ausstellung genannt. Aber im frostigen und grauen Winter mag eine Sommerausstellung schon Vergangenheit sein, auch wenn es eine warme und farbige Vergangenheit ist. Sommerausstellungen werden mitunter von den Herbststürmen verweht, vom Schneetreiben zugedeckt. Aber das schöne Stück Luxemburg, welches wir tausenden von Besuchern zeigen durften, hat vielleicht eine Spur hinterlassen, vielleicht Wurzeln geschlagen.
Winter, Zeit der Stille, Zeit der Besinnung, Zeit des Nachdenkens. Wintergedanken.
Vor einigen Jahren hatte in diesem Bulletin ein kleines Wägelchen eine Seite lang seine Fahrt unterbrochen. Den Eislécker Weenchen. Wir wissen nicht, ob und wann das kleine Gefährt wieder unser Gast sein wird, vermuten aber, daß der erbärmliche Zustand unseres Straßennetzes eine Erklärung für die lange Abwesenheit sein könnte.
Nach Überfahren der Landesgrenze, kommt man nun aus Bastogne, Houffalize oder Sankt-Vith: das unangenehme Rütteln und Holpern kann man als untrügliches Anzeichen dafür ansehen, in ein Randgebiet eingedrungen zu sein.
Das Straßennetz in unserem Kanton: ein Wegenetz?
Wird, wie in der früheren DDR, auf Verschleiß gefahren?
Braucht man in naher Zukunft ein Fahrzeug mit höherer Bodenfreiheit, um den Weg vom Kantonalhauptort nach Eselborn, Maulusmühle oder Antoniushof zu wagen?
Da hört man mit Freuden von den CFL-Plänen, der Eisenbahn ein neues Image zu geben. Vielleicht wird es dann komfortablere Wagen geben, mehr Pünktlichkeit, einen günstigeren Fahrplan, saubere Fenster und Sitze, funktionierende Heizungen, weniger Durchzug und genauso freundliches Personal wie bis jetzt. Dann wäre man tatsächlich ein großes Stück in Richtung echter Alternative gefahren.
Seit Frühjahr ist man dabei, dem Clerfer Schloß ein weißes Hemd zu nähen. Die Clerfer Bürger und die Besucher dürfen sich nun tagtäglich über den neuen Look freuen. Oder ärgern. So oder so, die Schneider sitzen außer Sichtweite.
Und wer weiß, in hundert Jahren wird man das Schloß vielleicht wieder in seinen « ursprünglichen » Zustand abklopfen.
Man hört, in verschiedenen Kreisen sei Erleichterung eingetreten. Im hohen Norden ist ein altes Übel erwacht. Ein Schulprojekt spaltet die Geister, die das Streiten schon (fast) verlernt hatten. Wenigstens in der Öffentlichkeit. Die Diskussion ist vehement, alle Schläge sind erlaubt.
Andersdenkende werden zu Nestbeschmutzern erklärt.
Verschmolzenes Schul- und Sportprojekt: unverdaulicher Eintopf?
Informationsversammlungen werden gehalten nachdem alles entschieden ist.
Demokratie: alle paar Jahre wieder ein Kreuzchen in ein Kästchen malen.
Aggressivität: nicht unbedingt ein guter Ersatz für Argumente. Aber: die Geister die am kräftigsten Wind schlagen, reagieren am empfindlichsten. Auf den leisesten Gegenwind.
Mit Genugtuung vernimmt man immer wieder das große Engagement der Steinseier Gemeinde in Sachen Umwelt. Beim Wort « Nordstraße » wird dieser vorbildliche Einsatz immer wieder lesbar.
Demnächst wird sich das Parlament im Bau der Nordstraße versuchen. Man wird zu entscheiden haben, inwiefern der Norden anschlußwürdig ist. Der Norden wird vollends ausbluten, so wird es anklingen, wenn man eine breite Straße baut. Es wird eine Massenflucht eintreten. So wird man um die Zukunft der Öslinger bangen. Zumindest solange die Debatte über die Nordstraße andauert.
Sollte man den Norden nicht besser zumauern?
Die Zukunft des Öslings, ökologisch nicht vertretbar?
Anhand der schlechtesten und unlogischsten Trassen werden verschiedene zu beweisen wissen, wie schlecht und unlogisch eine Nordstraße ist.
Die Nordstraße scheint eine sehr wichtige zu sein. Kein anderes nationales Straßenprojekt wird in solchem Maße zur Revalorisierung des Parlamentes beigetragen haben.
Die konsequente und nachhaltige Verteidigung der Interessen des Nordens, mit Sicherheit eine Frage des Mutes.
Landesplanung: Studien und Kommissionen zur Planung eines Weges aus der Konzeptlosigkeit?
Mit Verwalten Zeit schinden: auch ein Art Konzept.
Unseren existierenden Massentourismus verpönen die Planer, wünschenswerter Qualitätstourismus sei in. So werden wir hierzulande vermutlich auf einen Massenqualitätstourismus hinsteuern.
600 Millionen und mehr für einen See, für die einen Aufschwung und neue Hoffnung. Für die anderen droht die Hoffnung, im Algenschlamm zu ersticken.
So langsam wird auch unser Kanton infrastrukturiert. Spät vielleicht, besser als nie, mit Sicherheit.
Imagination ist gefragt, Kreativität. Nicht nur in Richtung Nostalgie. Auch in Richtung Zukunft.
Für Ihre Zukunft, werter Leser, wünscht der Vorstand des « Cliärrwer Kanton » alles erdenklich Gute, verbunden mit unserem Dank. Dank für das Mittragen unserer Ausstellung, Dank für Ihre Treue. Auch möchten wir allen Freunden, welche seit vielen, vielen Jahren unserem Bulletin ihre Mitarbeit anbieten, unsere Anerkennung und unseren Respekt aussprechen.