Léon Braconnier

Nordstraße und kein Ende?

Daß Boulevard-Ökologen und Freizeit-Verkehrsexperten versuchen würden, mit gröbstem Geschoß dem Projekt Nordstraße den Garaus zu machen, konnte man erwarten. Auch eine völlige Unkenntnis der sozio-ökonomischen Realitäten der Nordregion ist bekanntlich kein Hindernis zu gewagten Äußerungen, welche man auf keinen Fall allzu ernst nehmen sollte. Weitaus gravierender erscheinen aber Stellungnahmen, deren Ursprung teilweise aus recht hohen politischen Kreisen stammt.

In diesem Sinne sind die Diskussionen und die Polemik der letzten Wochen und Monate keineswegs umsonst gewesen, da dieser oder jener endlich die Katze aus dem Sack gelassen hat. Was jahrelang verheimlicht und vertuscht wurde, bestenfalls hinter vorgehaltener Hand geflüstert wurde, ist nunmehr offiziell. Und in einem Maße besorgniserregend, daß trotz bekannter Position an dieser Stelle noch einmal auf das Thema eingegangen werden muß.

  1. Zum ersten Mal wird offiziell im Rahmen landesplanerischer Erwägungen dem Norden das Recht auf eine zeitgemäße Verbindung mit der Stadt Luxemburg und dem Süden des Landes streitig gemacht. »Der virtuelle Wirtschaftsraum des Nordens liegt laut Studie (des Umweltministeriums; der Verfasser) in der belgischen Region um Bastnach, Stavelot, Malmedy, St. Vith, bis Lüttich hinauf, im Eifelraum Prüm/Bitburg und auf luxemburgischer Seite bis zum Ballungsgebiet um Ettelbrück und Diekirch. Auf diesen interregionalen Rahmen müsse gesetzt werden, besonders da die Nordregion einen Anziehungspunkt für das benachbarte Ausland darstelle. Im Gegensatz zu dieser Bestimmung weist die Studie auf die Autobahnen im Osten und im Süden des Landes hin, die allesamt die Verbindungen dieser Regionen mit ihren jeweiligen interregionalen Wirtschaftsräumen (in Deutschland resp. in Frankreich) herstellen… » (Tageblatt, 14. Februar 1992, Seite 10).

    Allerdings: die Regionen Osten und Süden (und Westen) besitzen jede eine oder mehrere Autobahnen, welche unseren Informationen zufolge nicht nur die notwendige Verbindung zum benachbarten Ausland sichern, sondern auch den Zugang zur Hauptstadt.

  2. Für den « motorisierten Individualverkehr » soll laut verschiedenen Plänen spätestens in der Umgebung von Mersch Endstation sein. Auf Kosten des Alzettetales dürfte Luxemburg als Hauptstadt ausgedient haben. Den Zugang zu den nationalen Einrichtungen in Sachen Kultur, Ausbildung und Sport wird man sich über einen beschwerlichen Weg mit mehrmaligem Umsteigen erkämpfen müssen. Doch auch die Öslinger haben diese Infrastrukturen mitfinanziert. Und auch die Öslinger möchten z.B. gelegentlich zum Flughafen, und zwar mit ihrem Auto.
  3. Vertrösten will man nun die geduldigen Einwohner der Nordspitze mit einer Ost-West Verbindung (!). Es sei die Frage erlaubt, wem denn diese Schnellstraße dienen soll. Außerdem mutet es mehr als seltsam an, daß man alles in Bewegung setzt um den Bau einer 15 km langen Strecke zu verhindern, gleichzeitig aber eine 70 km (Bitburg-Bastogne) lange Verbindung durch ein Gebiet vorschlägt, in dem mit großer Wahrscheinlichkeit auch Bäume und Gräser wachsen.
  4. Den Vogel schießen verschiedene, nicht einmal vor Fanatismus zurückschreckende Gegner der Nordstraße mit der These ab, der öffentliche Transport bekäme nur Aufwind, wenn es gelänge den Individualverkehr (mit allen Mitteln?) zu unterdrücken. Beide gleichzeitig zu fördern wird als Ding der Unmöglichkeit abgetan. Es grenzt an geistige Perversität, den Individualverkehr radikal einschränken zu wollen, damit der öffentliche Transport aufblühe. Im übrigen unterstützt die Vereinigung De Cliärrwer Kanton jede Bemühung, den luxemburgischen öffentlichen Transport endlich aus dem Dornröschenschlaf zu holen.
  5. Die Befürworter der Nordstraße werden als bauwütige und betonsüchtige Naturzerstörer dargestellt. Das aktuelle strukturelle Ungleichgewicht stört die wenigsten: das Ösling hat weiter und exklusiv von Tourismus und Landwirtschaft zu leben. Wie gehabt, viele möchten über die Zukunft des Öslings entscheiden. Nur den Einwohnern des Nordens (die Gartenzwerge der Nation?) versucht man dies zu verwehren. Die wahren Kenner der Situation sitzen im Alzettetal, im Zentrum und im Süden.
  6. Jemandem zu unterstellen, er sei für die Zerstörung der Landschaft, ist nicht nur stupide, sondern auch extrem böswillig. Aber hier wird nur zu deutlich, mit welchen Mitteln man entschlossen ist, gegen Andersdenkende vorzugehen. Unter dem Vorwand, die bedrohte Natur schützen zu wollen, möchten einige wenige Fanatiker, Mitläufer gibt es genug, die Allgemeinheit mit immer mehr Direktiven und Verboten auf den « richtigen » Weg trimmen. Motor: das persönliche Streben nach Macht.
  7. Dagegen klingt es allemal erheiternd, wenn selbsternannte Experten als Beweis ihrer Sachkenntnis auf die Öslinger Herkunft ihrer Familie hinweisen. Frage: warum sind denn diese Leute wohl weggezogen?

Die Vereinigung DE CLIÄRRWER KANTON, setzt sich seit vielen Jahren für den Bau einer modernen Nord-Süd Straßenverbindung ein. Eine Forderung, welche von der großen Mehrheit der Bevölkerung und der Politiker geteilt wird. Eine Forderung, von der wir keinen Deut abweichen werden.