Léon Braconnier

Die Nordstraße: Leben für das Ösling!

Mit dem Vorstellen der definitiven Trasse ist ein vermutlich entscheidender Schritt in Richtung Nordstraße getan worden. Eine überaus wichtige Etappe nach einem sehr langen, zu langen, von Geduldspappeln gesäumten Weg.

  1. Noch vor 10 Jahren stand die Zukunft des Öslings, insbesondere jene der Nordspitze unseres Landes, auf wackeligen Füßen. Mit den traditionellen Standbeinen Landwirtschaft und Tourismus, in allen Sonntagsreden beschwört und landesplanerisch festgehalten, sollte der Anschluß an das dritte Jahrtausend angepeilt werden.
    Glücklicherweise haben sich seitdem neue Perspektiven eröffnet, die aber ohne moderne Verbindung rapide in die Sackgasse münden. Die Strangulation des Öslings ist kein leeres Wort. Mit dem Bau oder Nichtbau der Nordstraße wird über das sozio-ökonomische Überleben großer Teile des Landesnordens entschieden. So einfach ist das.
  2. Die derzeitigen Straßenverbindungen Norden-Zentrum geben bestenfalls als Anekdote ein passables Bild ab. Einziger Vorteil: ab der Nordstadt, resp. Ab Mersch hat man die Wahl. Ein Teil der Benutzer schwört auf « durch d’Fiels fueren ». Mutige wählen die Todesstrecke unter dem Motto « Ech kennen dës Streck », die Restlichen stottern etwas sicherer auf der N7 von Ampel zu Ampel. Und können, wenn nicht gerade ein freundlicher Brummi eine längere Wagenkolonne anführt, ihr Gefährt auch einmal auf über 50 km/Stunde hochschalten. Dies selbstverständlich nur auf den wenigen hundert Metern, wo dies noch erlaubt ist.
  3. Kein modernes, vergleichbares Straßenprojekt in Luxemburg ist einer solchen Flut von Angriffen und Tiefschlägen ausgesetzt worden wie die Nordstraße. Nie hat es leidenschaftlichere Diskussionen gegeben. Und immer noch scheinen alle Mittel recht, wenn es darum geht, das Projekt Nordstraße zu sabotieren. Die Fahrt in den Norden soll auch weiterhin in die Kategorie Expedition gehören. Es fällt auf, daß die verventesten Gegner fast allesamt in Gegenden beheimatet sind, welche ein durchaus modernes und performantes Straßennetz aufweisen. Unterzeichneter erinnert sich nicht an eine bemerkenswerte Opposition etwa gegen die Autobahnen Zentrum-Osten, Zentrum-Süden, Zentrum-Westen oder gegen die « Collectrice du Sud ». Auch die Einwohner der Nordregion machten keine Einwände, unterstellten niemandem Bauwut oder Betonsucht.
  4. Wenn auch vieles noch durchaus verbesserungswürdig sein mag, jeder sollte eigentlich von der Nützlichkeit der öffentlichen Transportmittel überzeugt sein. Und behutsam nuancieren. Mit einer Hybridbahn im Landeszentrum, und sei sie noch so teuer, sind die Mobilitätsprobleme der Bewohner der Nordregion nicht zu lösen.
  5. Glücklicherweise gibt es in unserem Land noch die Freiheit der Wahl des geeigneten Verkehrsmittels. Niemand soll und darf jemals daran gehindert werden, sich, seine Koffer und seine gute Laune mit öffentlichen Mitteln von Huldingen nach Findel zu befördern. Oder bequem von Niederbesslingen aus zu einem der immer zahlreicheren « nationalen Zentren » im Süden unseres Landes zu reisen. Mit Bus, Bahn, Tram, deren Hybrid oder mit dem noch umweltfreundlicheren Fahrrad.
  6. Auch wenn sie etwas schweigsam sein mag, es gibt in unserem Lande eine große Majorität für den Bau der Nordstraße. Diese Mehrheit spiegelt sich im Parlament und in der Regierung wider. Nun gibt es aber eine kleine Minderheit, deren Maß an Agitation im umgekehrten Verhältnis zur Zahl ihrer Sympathisanten steht. Klar, es ist schwierig gegen ein Projekt zu Felde zu ziehen, dessen verkehrstechnische Notwendigkeit evident ist. So zaubern seit Jahren selbsternannte Experten immer wieder dieselben alten Hüte aus dem Zylinder, bemühen gleichermaßen selbstgestrickten Tiefsinn wie hausgemachte Wissenschaft, um das vehemente Anrennen gegen die Nordstraße zu rechtfertigen.
    Besonders beliebt ist der listige Dauerbrenner: Gegen die Nordstraße – für den Erhalt des Grünewaldes. Man möge sich beruhigen. Er wird überleben. Niemand will dem (schon im Volkslied gepriesenen) Grünewald an den Kragen. Die Nordstraße bedeutet keineswegs das Aus für den grünen Wald, um den es laut mancher Aussage aus denselben Kreisen ohnehin sehr schlecht steht. Viele meiner Freunde sind grüne, gesunde Bäume, die immer wieder überrascht sind, wenn ich ganz leise anklingen lasse, wie krank sie eigentlich sind.
  7. In sehr vielen Fällen geht es längst nicht mehr um die Sache, mittlerweile begreifen es auch die Naivsten. Das Streben nach Macht und Einfluß nimmt bei verschiedenen Akteuren immer operettenreifere Züge an. Einige Gruppen versuchen nicht einmal, die innere Zerstrittenheit zu übertünchen. Jeder will nach oben. Und wie man sieht, werden im rüden Gerangel sogar kompetente Elemente ganz einfach und demokratisch abgewählt.
    Die kulturelle Vereinigung « De Cliärrwer Kanton » hat keinerlei politische Ambitionen. Schon gar nicht will sie eine Welt der Diktate und Verbote, möchte nicht andauernd belehren, ist nicht chronisch rechthaberisch und leidet bislang auch nicht am Pressekonferenzensyndrom. Wir schießen nicht mit grobem Geschoß auf Andersdenkende. Aber wir haben keine Angst unsere Meinung klar und deutlich zu sagen. Sehr deutlich sogar, wenn es sein muß.
  8. Die Entschlossenheit der aktuellen Regierung ist bemerkenswert. Die klare Sprache und die mutigen Worte von Minister Robert Goebbels lassen keinen Zweifel zu: Die Nordstraße wird gebaut. Ihm, der Regierung und dem Parlament gebühren ehrliche Anerkennung und aufrichtiger Dank.

Der Bau der Nordstraße ist nämlich nicht nur von eminenter sozialer und ökonomischer Wichtigkeit und Dringlichkeit. Es geht auch und vor allem um den Menschen. Denn zu den immensen wirtschaftlichen, sportlichen, medizinischen, ökonomischen, kulturellen und administrativen Infrastrukturen der Hauptstadt und der Minettegegend gibt es keine Alternative. Umgekehrt sollte aber auch das Ösling mit seiner ausladenden Natur, seinem kommerziellen, touristischen und kulturellen Angebot zugänglicher gemacht werden. Die Nordstraße verbindet zu einem partnerschaftlichen Miteinander, läßt das Großherzogtum zusammenrücken. So gesehen wird mit jedem Kilometer Nordstraße an einem völlig neuen Luxemburg gebaut.