Notizen zu unserer Generalversammlung vom 25 April 1996

Unsere diesjährige Generalversammlung fand am 25. April 1996 im Clerfer Kulturzentrum statt. Die Beteiligung von Mitgliedern aus nah und fern hielt sich in Grenzen, so daß jedermann einen Sitzplatz fand. Der Verlauf der Versammlung war harmonisch und freundschaftlich, wie bereits seit Jahren dominierte das Thema « Nordstrooss » die meisten Interventionen.

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Präsident Léon Braconnier begrüßte die Anwesenden herzlich, unter ihnen auch die Bürgermeister Emile Eicher (Munshausen), Aloyse Nosbusch (Clerf) und Henri Rinnen (Weiswampach); der erste Bürger von Heinerscheid Camille Eilenbecker hatte sich entschuldigen lassen. 1996 fanden keine Parlamentswahlen statt, weshalb auch keinerlei « Grosses légumes » im Saal zu sehen waren…

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Nach den üblichen Tätigkeitsberichten zeigte die anschließende Diskussion, daß die Forderung nach einer einzigen zeitgemäßen Nord-Süd-Verbindung für den Autoverkehr auch weiterhin zu den Prioritäten an der Nordspitze gehört. Wir werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen!

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Bei den zum Jahresbeginn durch viel Hypokrisie und kleinkarierte Parteipolitik gekennzeichneten Diskussionen zum Reha-Standort wurde ein hässliches Wort geprägt, das wir im hier erwähnten Zusammenhang zitieren möchten: « Distanze spillen zu Lëtzebuerg keng Roll! » Von der Nordspitze bis nach Düdelingen und zurück sind 150 Kilometer bei weitgehend miserablen Straßenverhältnissen zurückzulegen. Wenn eine Familie ein Kind in Düdelingen behandeln lassen muß, ist die Strecke, die ja keine Rolle spielt, fünfmal in der Woche zurückzulegen…

Ein guter Freund unseres Kantons erzählt: « Weil ich an einer Beerdigung in Ettelbrück teilnehmen wollte, fuhr ich kurz vor 13.00 Uhr in Gasperich los. Als ich um fünf nach drei endlich in Ettelbrück eintraf, hatte der Geistliche die Trauerfeier bereits begonnen. »

Ein junger Bauherr in Eselborn hatte bei einer hauptstädtischen Firma Parkettboden zu einem günstigen Preis bestellt. Nach der Lieferung wurde ein Zuschlag von 3.500.- F berechnet mit der Begründung, nördlich von Ettelbrück sei das nun eben so.

Aber Distanzen spielen in Luxemburg keine Rolle! Das hybride Bahnprojekt sieht deshalb nördlich der Ardennenpforte ja auch keineswegs Lösungen vor…

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Und damit zurück zum Thema dieser Notizen:

Präsident Léon Braconnier dankte allen Mitarbeitern für ihren unermüdlichen Einsatz im vergangenen Jahr, insbesondere auch bei der Gestaltung der Sondernummer « Ee Land, zwou Welten? », die in 6 000 Exemplaren gedruckt und an alle politischen Instanzen sowie selbstverständlich an unsere Mitglieder und darüber hinaus auch an alle Haushalte im Kanton Clerf verteilt wurde. In dieser textlich und vor allem auch graphisch äußerst gut gestalteten Nummer unserer Zeitschrift betonen die Autoren, man könne nicht dulden, daß das Projekt « Nordstrooss » auch weiterhin auf die berühmte lange Bank geschoben werde. Man könne ebenfalls nicht verstehen und zulassen, daß der Begriff « Solidarität » in Luxemburg nicht auch Solidarität mit dem Landesnorden bedeuten solle.

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Unsere Vereinigung leistet jahraus, jahrein viel Kulturelles und auch Kritisches. Kulturelles mit zahlreichen Veranstaltungen im künstlerischen Bereich und vor allem auch mit unserer Zeitschrift. Kritisches, indem « De Cliärrwer Kanton » immer wieder gleichwertige Arbeits- und Lebensbedingungen für die Nordbewohner fordert, dies vor allem und immer wieder im Zusammenhang mit der Nordstraße. Präsident Braconnier ist der Auffassung, das Nordstraßeprojekt könne nicht weiterhin abgeblockt werden, man könne sich nicht vorstellen, daß immer mehr « nationale Zentren » und echte Schwerpunkte in unserem Land in den Süden abrutschen, « An dat mir nawell keng uerdentlech Stroosseverbindung kréien. »

Léon Braconnier ist ein äußerst höflicher und liebenswerter Zeitgenosse. Aber bei passender Gelegenheit, wie am 25. April 1996 weiß er unangenehme Wahrheiten ironisch-obenhin vortrefflich zu formulieren: « Mir hun et färdegbruecht an eisern Land, wou et jo keng Distanz gëtt, Autobunnen ze bauen, Rocaden, Contournements, Pénétrantes a Collectrices. Op déne ganz klengen Distanze, wou ee scho bal zu Fouss goe kënnt. An op där eenzeger gréisserer Distanz an onsem klenge Land, an dat ass d’Nord-Süd-Achs, do bleiwe mer hänken. Do geet näischt méi! »

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Zurück zu ruhigeren Gewässern:

Sekretär Gust. Wesquet analysierte den im Kulturjahr ’95 besonders reichhaltigen Veranstaltungskalender mit verschiedenen Bilderausstellungen und Konzerten. Nur ganz am Rande sei hier vermerkt, daß unsere Vereinigung allmählich Unbehagen empfindet, kulturelle Veranstaltungen durchzuführen, bei welchen sie ohne wirksame Finanzhilfe des Kulturministeriums lediglich Anschriften und Termine von Künstlern, nicht aber aktive organisatorische Unterstützung erfährt.

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Aus dem Finanzbericht von Schatzmeister Aly Bertemes ging hervor, daß private Sponsoren, Gemeindeverwaltungen und staatliche Instanzen unserem Verein ihre Hilfe nicht versagen. Die Kassenrevisore Adrien Wouters und Paul Zeimes empfahlen der Versammlung, den ausführlichen Kassenbericht gutzuheißen; Entlastung wurde einstimmig erteilt. Auf Vorschlag von Präsident Braconnier wurde der Jahresbeitrag um 50.- auf 600.- F angehoben. Erwähnen wir noch, daß 42 Prozent der Vereinsmitglieder freiwillig bereits 1.000.- F im Jahr zahlen.

Die Generalversammlung ’96 klang im guten Sinne des Wortes aus mit dem Auftritt des schwedischen Künstlers Jim Nilsson im Rahmen des ersten internationalen Gitarre-Festivals von Luxemburg.