Léon Braconnier

Bitte um eine neue Studie

Die Geschichte der Nordstraße mutiert zur Seifenoper. Immer wieder raffen sich nimmermüde Altsternchen zu neuen Folgen auf und erflehen, mit einem bemerkenswerten Spürsinn für immer ausgefallenere Szenarien, wenn nicht Beifall, dann die Gnade, die ersehnte Karriere endlich antreten zu dürfen.

Allerdings könnte dem Ösling mit den Jahren die Luft ausgehen. Man möge folgende Zeilen in diesem Kontext interpretieren. Niemand möchte komödiantischem Talent Bremse sein. Auch nicht einmal Handbremse. Und niemand möchte dem täglichen Kuck Hei ein Dauerthema entziehen, in Zeiten wo schon das Haebichtprojekt weg vom Fenster ist.

Aber wenn trotz Studiendiarrhoe das Projekt Nordstraße immer noch in den Startlöchern zappelt, sollte man sich endlich der Frage stellen, ob an den gemachten Studien nicht etwas faul ist. Nicht, daß der Preis nicht gestimmt hätte, aber sind die eigentlichen Probleme angepackt worden, wurden die richtigen Lösungen vorgeschlagen?

Denn von Tag zu Tag wird deutlicher, wo der Sand im Getriebe knirscht. Das Problem des Nordens ist seine Lage. Der Norden liegt zu nördlich: er liegt nördlich des Grünewaldes, nördlich der Hauptstadt und nördlich des Südens.

So wurde mit dem Projekt Nordstraße vermutlich jahrelang ein Pseudoproblem genährt. Das Problem ist nicht der Grünewald mit seinen unentdeckten Spezien, das Problem ist nicht Ost- oder Westvariante: das Problem ist einzig und allein die falsche Lage des Nordens. Ein südlicher Norden brächte erhebliche Vorteile: die Bewohner des Nordens wären endlich näher an allem. Näher an der Welt der fast noch unbegrenzten und ungebremsten Möglichkeiten. Ein südlicher Norden bräuchte natürlich keine Nordstraße. Höchstens eine Südstraße. Und Südstraßen sind, wie man weiß, weitgehend problemlos, direktivenfrei und somit fast schon Routine.

Ganz klar, daß es in diesem bescheidenen Artikel nur um Denkanstöße geht. Das Thema verlangt sicher eine eingehende Untersuchung und die kompetente Mithilfe von (wenn möglich ausländischen) Experten. Wir glauben, die Zeit für eine neue Studie ist reif. Es geht darum, endlich einen neuen Standort für den Norden zu finden. Im Laufe der Jahre hat derselbe sich immer weiter entfernt von den politischen, wirtschaftlichen, medizinischen, kulturellen und sportlichen Zentren, immer weiter ist er abgedriftet von den Zentren der Ausbildung, der Arbeit, der Politik und der Medien. Es geht darum, diesen Tendenzen ein Ende zu bereiten.

Etwas mehr Süden täte dem Norden gut.