Léon Braconnier
200 Jahre und hoffentlich nicht das Ende
Regionalisierung, schrieb René Maertz, hat für unsere Region immer nur Marginalisierung bedeutet. Und die rezente Dezentralisierung nationaler Zentren, sprich Anhäufung in der Minettegegend, bedeutet sogar für das ganze Ösling die Marginalisierung schlechthin.
Und nun ziehen wieder finstere Gerüchtewolken auf. Dieses Mal geht es nicht um Gesundheit, Ausbildung, Verkehr, Kultur oder Sport: nun steht die Sicherheit der Bürger auf dem Spiel. Stimmen unsere Informationen, so droht mit der geplanten Fusion von Gendarmerie und Polizei eine bemerkenswerte Verschlechterung einer ohnehin kaum befriedigenden Situation, in der manchmal die Verwaltung der Delikte Vorrang vor der Aufklärung zu haben scheint. So sollen die bestehenden Gendarmerie-Brigaden in Clerf, Hosingen und Ulflingen zu 3 sogenannten Kontaktkommissariaten à 3-4 Mann zusammenschrumpfen. Klartext : im ganzen Clerfer Kanton wird es wahrscheinlich kein Interventionsteam mehr geben. Vorbei die Zeiten, wo die Patrouille fast jeden Einwohner kannte, jedes Haus und jeden Weg?
Dabei ist das Korps der fusionierten « Police Grande-Ducale » weit über 1000 Beamte stark. Gerade mal 9- 12 Mann sollen nach unserem Wissensstand im Kanton Clerf, mit immerhin 13% des Luxemburger Territoriums der flächenmäßig größte in Luxemburg, vor allem Administratives verrichten. Gibt es einen Notfall, etwa einen Verkehrsunfall, Einbruch oder Überfall, ist das zukünftige Interventionszentrum in Wiltz zuständig, das Tag und Nacht mit 1-2 Patrouillen à 2 Mann (!) die Kantone Wiltz und Clerf betreuen soll. Kaum auszumalen, was beispielsweise passiert, wenn jemand im Stausee ertrinkt, in Clerf randaliert wird und in Asselborn ein Unfall passiert. Hört dann der Einwohner in Lieler verdächtige Geräusche in seinem Haus, erübrigt es sich wohl, wie die Tageszeitungen bei Einbruchsserien raten, umgehend die Nummer 113 anzurufen.
Weder die Sicherheit der Bürger, noch die Sorge um einigermaßen gute Arbeitsbedingungen der Beamten dürften bei diesen Plänen Pate gestanden haben. Ist den Bürgern eine Wartezeit von 40 Minuten zuzumuten, bevor ein Erscheinen, resp. Eingreifen der Ordnungskräfte erfolgt? Und wo soll die Patrouille in einer Notsituation Verstärkung anfordern?
Nun mag man dem entgegenhalten, daß die bevorstehende Reorganisation von Gendarmerie und Polizei das ganze Land betrifft. Daß gleiche Maßstäbe angewandt wurden, etwa 1 Beamter auf x Einwohner. Hat man den größeren Entfernungen im Ösling Rechnung getragen? Den speziellen topographischen Begebenheiten? Den Witterungsverhältnissen im Winter?
Hat ein Staat nicht die Aufgabe, auf dem gesamten Territorium für Chancengleichheit zu sorgen? Reorganisationen, welche auf sturen Zahlenspielereien beruhen, oder gar auf Rentabilität, führen geradewegs ins soziale Aus. Heute kein Erdgas, morgen kein Strom, übermorgen nur noch einmal pro Woche Post für die Oma in der alten Mühle?
Die geplante Reorganisation der Sicherheitskräfte sollte nicht ein weiterer Rückzug aus der staatlichen Verantwortung sein. Während in Diekirch noch ein regionales Zentrum vorgesehen ist mit an die 30 Mann, in Wiltz immerhin noch ein Interventionszentrum (20 Beamte?), wird der Kanton Clerf der Zukunft einmal mehr leer ausgehen. Man kann also nur beten, daß in den Sommermonaten nicht zuviel passiert, daß an den überfüllten Sonntagen an der Schmiede und in Weiswampach die Verkehrsrowdies und Taschendiebe der neuen Situation Rechnung tragen. Ist es etwa vermessen, für jeden Kanton ein Einsatzzentrum zu fordern?
Eine 200-jährige Geschichte ist im jungen Land Luxemburg eher die Ausnahme. Daß die Gendarmerie ihre 2 mal hundert Jahre gebührend feierte, ist legitim und mehr als berechtigt. Auch die bevorstehende Fusion mit der Polizei mag durchaus einleuchtend sein. Sollten aber obige Zeilen nicht nur Gerücht sein, sondern reelle Pläne, wäre das Nordösling einmal mehr, und in weit größerem Maße als andere Regionen, das Opfer von « Rationalisierung » und « Restrukturierung ». Und die 200-Jahr-Feier der Gendarmerie hätte dann den schalen Charakter einer Trauerfeier. Ein Requiem für die Sicherheit an der Nordspitze.