Léon Braconnier

Die Clerfer Benediktinerabtei

Wenn der Herrgott frühmorgens die Sonne aus dem Schlaf holt und sie anzündet, wenn Er ihre Strahlen von Licht und Wärme über den weiten Kreis der Erde verteilt, dann gefällt es Ihm in Seiner Güte einige von ihnen über dem Tal der Clerve erstrahlen zu lassen. Und Er richtet es so ein, daß immer die Turmspitze der Clerfer Benediktinerabtei das erste Licht des jungen Tages erhält. Das rote Dach des Abteiturmes ist dann wie ein Stück Sonne, das den Menschen und den Tieren und den Pflanzen neues Leben verheißt.

Die roten Dächer der Abtei sind mit dem alten Schloß und der neo-romanischen Kirche das Wahrzeichen von Clerf. Der Bau der imposanten Benediktinerabtei ist ein Markstein in der langen Geschichte des Ardennerstädtchens: es gibt das Clerf vor 1910 und jenes danach.

So ist es nicht weiter verwunderlich, daß die erste Sondernummer des Cliärwwer Kanton den Titel « L’ Abbaye de Clervaux » trägt. Auf 96 Seiten versuchen wir einen Blick auf das Gestern, das Heute und das Morgen, wohlwissend, daß dieser ehrfürchtige Blick keine vollständige Arbeit über die Abtei sein kann und will.

Im Laufe der Jahre hat sich so manches vor und hinter den Mauern des mächtigen Gebäudes abgespielt. Aber alles Tragische, Ergreifende, Kulturelle, das Auf und Ab in den mitunter recht bewegten Wogen der Geschichte war auch immer ein Dahingleiten im ruhigen Wasser des stillen und des gesungenen Gebetes. Das Gebet war immer da, das ORA, das Alpha und Omega, der Bogen, der immer wieder vom Morgen zum Abend, vom Tageslicht zur Finsternis gespannt wurde.

Und auch das LABORA des heiligen Benedikt schlief nur selten. Die Arbeit der Mönche, draußen und drinnen, vom Buchbinden, Pflügen bis zum Kaffeerösten hat beeindruckt. Und viele Spuren im Gedächtnis der Menschen hinterlassen. Die arbeitenden Mönche waren der Bevölkerung ab und zu vielleicht näher als die betenden. Vielleicht erschienen die Mönche in den Stunden des Labora den Menschen in einem alltäglicheren Licht.

Fast ist die Geschichte der Abtei ein Jahrhundert alt Und all die Jahre haben das Gesicht der Abtei geprägt: das Lächeln des Aufblühens ebenso wie die Falten des zweiten Weltkrieges. Das Gesicht der Abtei strahlt Güte aus, die Sicherheit der Erfahrung und des Wissens, aber auch die Gewißheit der Hoffnung.

Ohne Zweifel ist die Abtei der Benediktinermönche ein Haus der Stille und des Gebetes. Und dennoch: wieviel Kerzen sind in all den Jahren von den vielen tausend Besuchern angezündet worden? Wie oft wurde die Klinke der Souvenirboutique des Pater Riblet gedrückt? Wieviel Menschen verließen die Abtei, gestärkt durch einen guten Rat, oder gesättigt von einer warmen Suppe?

Haus der Stille und des Gebetes, Haus der Meditation: ja. Aber es sind auch die kleinen Geschichten von Mensch zu Mensch, ja die Anekdoten, welche die Bindung der Abtei zur Bevölkerung gefestigt haben, Und wer weiß schon um all das Wirken, das persönliche Kontakte in die Wege geleitet haben?

Und so möchte diese Sondernummer des Cliärrwer Kanton mit dem Wunsch verbunden sein, daß die Mönche noch sehr lange in unserer Mitte jenen guten Rahmen finden, der Ihnen das Ora und das Labora ermöglicht. In jedem Fall aber sollen diese Seiten ein Zeichen der Verbundenheit sein, ein weithin sichtbares Zeichen des Respektes und der Dankbarkeit.