Jean Jaans

Notizen zu unserer Generalversammlung vom 17. April 1998 in Clerf

Verhältnismäßig zahlreiche Vereinsmitglieder hatten sich zur 19. Generalversammlung von « De Cliärrwer Kanton » im Clerfer Kulturzentrum eingefunden, als Präsident Léon Braconnier einleitend zu seinem gründlichen Rechenschaftsbericht feststellte, das Jahr 1998 habe für unseren Verein mit dem Ableben von René Maertz schlecht begonnen: Am ersten Januar 1998 starb der geistige Vater des « Cliärrwer Kanton » und es war nur selbstverständlich, daß sein Nachfolger die anwesenden Freunde und Kollegen bat, seiner in einer stillen Minute zu gedenken. Léon Braconnier betonte sodann, er sei vor 1 7 Jahren sehr beeindruckt gewesen, als er bei Kontaktnahme mit dem Verein bemerkte, wie feinfühlig René Maertz Zusammenhänge erkannte, Gefahren für die Nordregion spürte und bestimmte Entwicklungen voraussah. Die Bevölkerung an der Nordspitze hatte damals ein Minimum erreicht – sicher ist heute manches « anders », aber Léon Braconnier vertritt die Auffassung, ohne René Maertz und seine Mannschaft hätte es keinerlei positive Bewegung an der Landesnordspitze gegeben.

In seinem Jahresbericht lieferte Präsident Braconnier sodann Einzelheiten, die als Puzzle einen Überblick der von Rene Maertz entwickelten Initiativen geben. Wir zitieren: Studie von 1983 zur Lage im Kanton; Sitzung der Regierung zu einer « Table Ronde » am 16. März 1984; Unermüdliche Pressearbeit mit u.a. einer Publikationsreihe « Vun eisen Eislécker Koppen » im Luxemburger Wort; Entschließungen, Kontakte mit Parteien; Sondernummer unserer Zeitschrift; Schaffung einer interministeriellen Arbeitsgruppe. Ergebnis: Schaffung des « Syndicat intercommunal pour la promotion du canton de Clervaux ». Ein stolzes Ergebnis, denn das Syndikat hat in der Vergangenheit eine bedeutende Förderungsrolle gespielt und steht auch heute noch in vorderster Front zur Wahrung der Nordspitze – Interessen.

René Maertz war in vielen Jahren treibende Kraft bei allen « Cliärrwer Kanton » – Unternehmen. Auch nach seiner Amtsübergabe an Léon Braconnier im Jahre 1985 konnte der Verein immer noch auf seine Ratschläge und Anregungen zählen. Zwar stand er mehr im Hintergrund, aber mit seinen Beiträgen in unserer Zeitschrift blieb er immer präsent, insbesondere in den Jahren langen Kampfes um die « Nordstrooss ». Leider ließ seine Gesundheit nach, aber immer blieb das Wohl des Kantons Clerf sein Hauptanliegen. Aus langer Erfahrung wußte Rene Maertz, daß das Ösling in den Luxemburger Chefetagen nicht sonderlich viele Freunde zählt, und daß viele Öslingfreunde eher Freunde Öslinger Natur sind als Freunde bei der Lösung von Problemen jener Menschen, die auch an Wochentagen an der Nordspitze wohnen und arbeiten.

René Maertz war ein feinfühliger und sehr gescheiter Mann, der immer unterwegs war und stets neue Vorhaben hatte. Kannte er zufällig einmal Muße, hielt er ein Stück Öslinger Landschaft mit Stift und Farben fest – seine schönsten Liebeserklärungen an das Ösling bleiben uns so erhalten.

Zuweilen befürchtete Rene Maertz, bei der Organisation zahlreicher kultureller Veranstaltungen bliebe nicht genügend Zeit zu kritischen Überlegungen über die Zukunft der Nordregion. Wenige Tage vor seinem Tod schrieb er seinem Nachfolger einen Brief, in dem er mahnte, der Verein dürfe die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht enttäuschen: « Que le comité entier s’y mette! » Ein letzter Aufruf, den alle Vereinsmitglieder beherzigen sollten, nicht nur die Vorstandsmitglieder.

Denn wieder einmal schwebt eine große Drohung über der Zukunft der Nordspitze, gemeint sind die Folgen der geplanten Fusion von Gendarmerie und Polizei. « Dat ass e Wee an de Chaos » meinte Léon Braconnier wortwörtlich und betonte, daß die Ängste der Bevölkerung selbstverständlich auch den Ordnungsbeamten gelten, die ihre Arbeit nach Verwirklichung des Projektes in gefährlichen und unangenehmen Bedingungen erledigen müssen. In dieser Fusions-Angelegenheit handelt der Staat ganz sicher nicht als guter Familienvater, sondern er überläßt einen großen Landesteil einfach seinem Schicksal: « An dat nët fir d’éischt. An den Deel, deen am Reen steet, ass ëmmer de selwechten. »

Zu hoffen bleibt, daß das Projekt abgeändert werden kann. Aber sehr schlimm bleibt die Tatsache, daß einmal mehr ersichtlich wird, wie man mit dem Ösling verfährt bzw. verfahren will. Es bleibt unverständlich, wie das Sandkastenspiel positive Lösungen bringen soll: Berücksichtigt man die Ausdehnung des Territoriums – immerhin 12,8 Prozent der Landesoberfläche – müßte der Clerfer Kanton 12,8 % der Beamtenschaft mit 1500 Einheiten beanspruchen können, also einen Personalbestand von 192 Beamten. Zieht man aber nur spezifisch demographische Gegebenheiten in Betracht, unter Außerachtlassen von Topographie, Klima, Entfernungen, Bevölkerungsdichte usw., müßte der Kanton 2,7 % von 1 500 Beamten beanspruchen können, das wären immerhin 40.

Eng ganz grouss Gefor fir eis Géigend!

Sollte das Vorhaben so verwirklicht werden, besteht größte Gefahr für die Nordregion. Deshalb hatte der Vorstand eine Entschließung ausgearbeitet, die am Ende der Generalversammlung ausgeteilt und der Presse sowie dem Ministerrat übermittelt wurde.

In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche interessante Initiativen von der Nordspitze, die auf wirtschaftlichem, touristischem und kulturellem Plan von Vorteil waren; der Redner erinnert hier an « Leader » und an die Ourtal-För-derung. Wenn kritische Beobachter nunmehr im Zusammenhang mit dem Fusionsprojekt von Verrat und Sabotage sprechen, sind ihre Argumente nur allzu einleuchtend. « De Cliärrwer Kanton » tritt ein für eine Chancengleichheit und will sich in seiner « lästigen » Beharrlichkeit auch keineswegs durch faule Beschönigungen abspeisen lassen. Es hat den Anschein, daß bei dem Fusions-Schema immer noch unbeirrt nach Rentabilitätskriterien verfahren wird. So ist vorgesehen, daß für die Kantone Wiltz und Clerf nur je ein « Centre d’intervention » bestehen soll. In Clerf, Ulflingen und Hosingen verbleiben jeweils drei bis vier Beamten, die jedoch nicht für den Außendienst ausgestattet sind und im wesentlichen Verwaltungsarbeiten erledigen sollen. In Wiltz ist ein Interventionszentrum mit 26 Beamten vorgesehen, was konkret bedeutet, daß eine Patrouille von lediglich zwei Beamten rundum die Uhr unterwegs sein wird. Nun stellen die Kantone Wiltz und Clerf aber 23 % des Luxemburger Territoriums dar, also fast den vierten Teil. Vom Stausee bis zur Schmiede sind zwei Ordnungshüter für alle denkbaren Situationen zuständig, also vom Selbstmord über Unfall und Schlägerei und Banküberfall bis hin zu Verkehrsdelikten. Schlußfolgerung von Léon Braconnier: « Ech ëmfannen dat als vill méi schlëmm, wéi wa mir gesot kréien, mir kriite keen Erdgas, et wir nët rentabel. Dat hei ass eng ganz eescht Aggressioun géint d’Eisléck! »

Der Kanton Clerf darf sich nicht mit Versprechen und Sonntagsreden zufrieden geben. Auch nicht mit dem Hinweis auf eine angeblich wachsende Bevölkerung. Die Tatsachen sehen wie folgt aus: Von 1960 bis 1997 hat die Bevölkerung im Kanton um 1,5 % zugenommen, landesweit jedoch um 33 %, dies mit einem Multiplikator von 22. Das ist die harte Wirklichkeit!

Zu hoffen bleibt hier nur, daß noch Zeit bleibt, um das Gesetzprojekt grundlegend zu verbessern. Bedrückend und enttäuschend zugleich ist die Tatsache, daß einmal mehr derart mit dem Ösling verfahren wird. Aber selbst wenn wir uns in Perspektive und Mentalität der Sandkastenspieler versetzen, bleibt gleichwohl unklar, wie die Rechnung aufgehen soll: Nehmen wir die Gebiets – Oberfläche als Merkmal, müßte der Clerfer Kanton wie bereits erwähnt 12,8 % der Beamtenzahl, also 192 Personaleinheiten beanspruchen können. Ziehen wir jedoch die demographischen Gegebenheiten in Betracht, die durch Topographie, Klima, Distanzen, Bevölkerungsdichte usw bestimmt werden, bleiben immerhin noch 2,7% von insgesamt 1500 Beamten, also minimal 40.

Nach recht ernsthaften Worten und Mahnungen blendete Präsident Braconnier über zur rein kulturellen Tätigkeit unserer Vereinigung, und auch hier beanspruchte der Redner die volle Aufmerksamkeit der Anwesenden nicht umsonst:

Unsere Zeitschrift erschien 1997 in gewohntem « Dreiklang », mit einer zusätzlichen Sondernummer über die Clerfer Abtei, die einen gewaltigen Erfolg erzielte und vollständig vergriffen ist. Keine andere Zeitschrift hat derart viel Interessantes über die Region zusammengetragen wie « De Cliärrwer Kanton ». Die Abonnentenzahl stagniert leider bei 1300 Sympathisanten zahlreiche Mitbürger kennen weder Verein noch Zeitschrift, weshalb eine neue Werbeanstrengung unausweichlich ist. Unsere Zeitschrift erscheint in neuem Layout, ist attraktiver und gepflegter in der Druckausführung, inklusive mehr Farbdruck.

Zwei Kunstausstellungen (Claude Celli & Tom Flick; André Paquet) fanden 1997 großes Interesse. Vier Konzerte und die « Journées du chant grégorien » mit drei Konzerten hatten großen Zuspruch, so daß im Herbst 1998 neue « gregorianische Darbietungen » programmiert sind.

Für aktive Unterstützung gebührt dem Kulturministerium Dank, insbesondere auch dem « Animateur culturel », dem Leader-Büro, den Gemeindeverwaltungen und dem interkommunalen Syndikat für die Förderung des Kantons Clerf. Unterstützung bedeutet Anerkennung, zugleich aber auch Verpflichtung. Letztere auch für die Vereinsmitglieder, die ab 1999 mit einem Mitgliederbeitrag von jährlich tausend Franken rechnen müssen. Für Gebotenes und Angestrebtes kein unüberwindlicher Preis!

Der akribisch genaue Kassenbericht von Aly Bertemes schloß mit einem leichten Defizit ab. Der Kontostand bleibt weiterhin gesund und die Kassenrevisoren Francis Kler und Paul Zeimes schlugen Entlastung vor, die von der Mitgliederversammlung ohne Gegenstimme gewährt wurde.

Nach teilweiser Erneuerung des Vorstandes setzt sich dieser wie folgt zusammen: Präsident: Léon Braconnier, Clerf; Kassierer: Aly Bertemes, Ettelbrück; Vorstandsmitglieder: Mathias Boever, Walferdingen; Francis Breyer, Bögen/Clerf; Emile Hansen, Clerf; Netty Hoffmann, Clerf; Jean Jaans, Strassen/Heinerscheid; Henri Keup, Ulflingen; Aloyse Kohnen, Binsfeld; Victor Kratzenberg, Clerf; Marcel Lenertz, Kehlen; Aloyse Nosbusch, Clerf; Jean Reiland, Clerf; Malou Wagner, Reuler; Raymond Wagner, Strassen/Trotten und Adrien Wouters, Reuler.

Die abschließende freie Aussprache bezog sich vorrangig auf kulturelle Probleme, aber in breitem Maße auch auf die zu befürchtenden Mängel und Gefahren der geplanten Fusion von Polizei und Gendarmerie. Die Norddeputierten Emile Calmes, Agnes Durdu, Claude Halsdorf und Nico Loes ebenso wie die Bürgermeister von Clerf, Aloyse Nosbusch, Emile Eicher, Munshausen und Lucien Majerus, Ulflingen, waren bei der Diskussion wie bei der gesamten Generalversammlung präsent und beteiligten sich zum Teil mit positiven Beiträgen zum Thema. Bei einigen Ehrengästen hatte man allerdings den Eindruck, daß sie über Besorgnisse und Kritiken eher verdrossen und vielleicht auch erbost waren. Ihnen wäre vielleicht die Frage zu stellen, was sie als wichtiger erachten: Sture Parteidisziplin und blinde Unterwürfigkeit zu Minister und Regierungsvorhaben oder aber dynamischen Einsatz als gewählte Volksvertreter einer ohnehin stark benachteiligten Region?

Verdrossenheit hin und Polemik her, Tatsache bleibt, daß die Generalversammlung von « De Cliärrwer Kanton » am vergangenen 17. April eine Entschließung verabschiedete, in welcher starke Einwände gegen Aufteilung und regionale Benachteiligung der Landesnordspitze bei der geplanten Fusion von Polizei und Gendarmerie formuliert werden. Anschließend an unsere Notizen findet der Leser den genauen Text dieser Entschließung.

 

Résolution

L’association « DE CLIÄRRWER KANTON », réunie en Assemblée Générale Annuelle au Château de Clervaux le 17 avril 1998, après avoir

  • Entendu le Conseil d’Administration en son rapport d’activités et appris sa prise de position sur un problème d’actualité grave

La sécurité des citoyens dans le nord du pays

  • Prend note du Projet de Loi portant création d’un Corps de Police Grand-Ducale, projet d’après lequel ni les cantons de Clervaux, Rédange, Vianden et Wiltz ne sont prévus comme circonscription régionale;
  • Regrette, alors que l’effectif actuel des brigades est déjà insuffisant, que le Gouvernement n’ait prévu qu’un seul  » Centre d’Intervention  » avec un service 24/24 heures sur le territoire des Cantons de Wiltz et de Clervaux, formant pourtant près de 23% du territoire national;
  • Constate que le Gouvernement concède à larges vues des Commissariats de Proximité à Clervaux, Hosingen et Troisvierges, avec chaque fois un effectif de 3 – 4 unités;
  • Estime que le nombre d’agents de sécurité prévus pour le Canton de Clervaux (12,8% du territoire du Grand-Duché!) est très largement insuffisant face aux 1500 unités prévues dans le projet de Loi;
  • S’étonne que les responsables ne semblent pas tenir compte des particularités topographiques et climatiques de la région
  • S’indigne que la partie nord de notre pays sera mise petit à petit sans défense;
  • Rappelle que la criminalité de violences n’a pas fait arrêt devant la porte de l’Oesling;
  • Relève les défis de la libre circulation des personnes (traité de Rome), la suppression des contrôles frontaliers (accord de Schengen) et notamment les moyens de transport rapide des malfaiteurs vis à vis des forces de l’ordre;
  • Critique qu’une fois de plus les autorités semblent sacrifier la pointe septentrionale du pays sur l’autel des réformes, après avoir décidé au cours des dernières années l’implantation d’un nombre considérable de centres d’intérêt national dans le sud du pays;
  • Signale que bien d’autres voix se sont élevées contre le présent projet (PSC Nord lors de l’assemblée générale du 18 mars 1998, Syndicat professionnel de la force publique. Communes du Canton de Clervaux);
  • Insiste pour que le Gouvernement prenne des mesures concrètes pour contrecarrer la criminalité dans son ensemble et pour assurer la protection à tous les citoyens du Grand-Duché, y compris les habitants de l’Oesling;
  • Offre sa collaboration loyale et experte à toute initiative en vue d’améliorer la situation socio-économique du Canton de Clervaux.