Léon Braconnier

Probleme mit der Realität?

Die Hauptaktivität der fröhlichen Öslinger Bevölkerung scheint, zumindest vielen Medienberichten nach, zwischen dem Organisieren von « Tagen der offenen Tür », feierlichen Einweihungen und Vereinsjubiläen zu pendeln. Das Ganze höchstens unterbrochen von der Biergala im Zelt und dem beliebten Hobbymarkt. Mit Mayonnaise und Ketchup. Ob sich die Ortschaft aber am Tage danach, montags, lebendiger präsentiert, steht nicht in den Berichten. Zumindest ist ein gewisse Aktivität in den ersten Stunden nach dem Fest garantiert. Dann, wenn es gilt, die zurückgelassenen Abfälle aller Art zu beseitigen.

Es darf nicht die Rolle des Öslings werden, zum Wald- und Wiesenanimator des Landes zu werden. Geschäftsverbände und Interessen- vereine verzetteln sich in einer nicht enden wollenden Animationssucht. Doch die wenigsten Konsumenten und Urlauber sind tralalasüchtig. Im Gegenteil. Der Kunde erwartet das ganze Jahr über kompetente Beratung, freundliche Bedienung und faire Preise. Der Fremde kommt kaum wegen lautem Halli-Hallo auf dem Kiosk, auch nicht wegen der xten Phantom-der-Oper-Fanfarenaufführung, sondern sucht Entspannung, Ruhe, Natur. Die meisten der sogenannten Rock-Konzerte sollte man besser nicht in der Öffentlichkeit abhalten. Denn das Fehlen musikalischen Könnens, von Talent eh keine Spur, kann man auch mittels Lautstärke nicht kompensieren.

Überhaupt müsste sich der Tourismussektor selbstkritischen Fragen stellen. Reicht es jahrein, jahraus den sogenannten Qualitätstouristen zu beschwören? Inwiefern wird dem Fremden « Qualität » geboten? Schrottreife Terrassentische und -stühle, lieblose, garstige Bedienung, überteuerte Preise: so selten? Kaputte Waldwege: die Ausnahme?

The Family of Man von Edward Steichen: wer erinnert sich nicht an die grossartige Einweihung? Eine der bedeutendsten Fotoausstellungen der Welt für immer im ehrwürdigen Schloss in Clerf. Aber wie steht es um die Vermarktung? Wird eine dem Wert der Ausstellung angemessene nationale und internationale Werbung betrieben? Wie steht es um die Besucherzahlen? Stimmt es, dass sie dramatisch abgenommen haben? War im übrigen nicht vorgesehen, in Clerf eine Art Zentrum der Fotographie entstehen zu lassen, mit Seminaren, Kursen, zeitgenössischen Expositionen?

Und wie steht es um die zukünftige Sicherheit im Norden? Unsere Zeitschrift hat zum wiederholten Mal auf die katastrophalen Folgen hingewiesen, die die geplante Fusion der Sicherheitskräfte uns beschert. Auch wenn jetzt in Ulflingen ein « Centre d’Intervention » entstehen soll, wieder einmal hat sich das Ösling wehren müssen.

Was immer noch vermisst wird, ist eine seriöse Auseinandersetzung mit der Zukunft, die das Ösling erfahren soll. Auch wenn es schmerzt: das Ösling kann auf den Standbeinen Landwirtschaft und Tourismus nicht weitergehen. Zumindest nicht im klassischen Sinn. Die Bestrebungen, in beiden Sektoren neue Wege anzulegen, könnten von kluger Weitsicht zeugen. Vorausgesetzt, sie sind ernst und ehrlich gemeint und nicht bloss ein Strohfeuer zum Illuminieren eigener Prestigesucht.

Mancher beneidet uns wegen der Aktivität, die in den Industriezonen entstanden ist. Die intelligente Aufbauarbeit des interkommunalen Syndikates SYCLER trägt Früchte. Vieles ist geleistet worden. Und es gilt weiter vorauszuschauen, wachsam zu sein. Wie steht es z.B. mit den Zufahrtstrassen? Wie steht es mit der Sicherheit? Besteht etwa ein Katastrophenplan im Falle eines Unglücks?

Finanziell gesehen tanzen die Gemeinden der Nordspitze auf dünnem Eis. Es stellt sich die Frage, inwiefern es auch in diesem Punkt in unserem Lande gerecht zugeht. Auch hier wäre die Schwelle zum dritten Jahrtausend der geeignete Moment umzudenken.

Im Ösling ist der Unterschied zwischen Wünschenswertem und Realität vermutlich grösser als anderswo. Wünscheswertes ist nur selten Realität. Und die Realität leider allzuoft nicht wünscheswert.