Léon Braconnier
Einmal Troisvierges – Gouvy bitte…
Schon oft haben wir auf diesen Seiten auf Unterschiede hingewiesen, die zwischen Sonntagsreden und der Wirklichkeit liegen. Diese Differenzen sind allgegenwärtig, in Politik, Kultur, Sport, Wirtschaft usw. Natürlich auch, wenn es um Europa geht. Die EU sei unsere Heimat, sagt und schreibt man. Vor einigen Monaten wurde die Erweiterung des Schengen-Raumes mit Feuerwerk und Jubel gefeiert. Grenzen, so scheint es, verschwinden. Doch der normale Bürger tut sich schwer, so manches zu verstehen, geht es um Preise oder Dienstleistungen im europäischen Haus.
Dabei macht der Euro Preisvergleiche einfach. So gibt es zum Beispiel den grossen schwedischen Möbelhersteller, dessen bunte Kataloge in allen EU Ländern verbreitet sind. Wer jetzt von Preisdifferenzen nur durch die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze ausgeht, hat weit gefehlt! Bekanntlich hat Ikea kein Möbelhaus in Luxemburg, der Blick in die belgischen, deutschen und französischen Kataloge ist dafür aber sehr aufschlussreich. Preisunterschiede von 25% und mehr sind keine Seltenheit.
Vor einigen Jahren hat das europäische Verbraucherzentrum Düsseldorf die Ikea-Preise in der ganzen EU verglichen und Differenzen bis 72% (!) festgestellt. Allerdings: ein « Möbel-Billig-Land » gibt es nicht. Man ist gut beraten, vor dem Kauf die Preise zu vergleichen, die, unverständlich für für Aussenstehende, bedeutend variieren. Natürlich wird auch weiterhin kaum ein Portugiese in Griechenland einkaufen, aber der Blick in den Katalog des Nachbarlandes kann sich durchaus lohnen.
Ob Bankgebühren, Briefporto, Zeitschriftenpreis, Telefongespräche: immer wenn Grenzen im Spiel sind, greift die Abzocke um sich. Dann besteht, besonders wenn man in einem kleinen Staat wohnt, Europa aus vielen Grenzen. Grenzen sind alles. Da kostet der Brief von Marnach nach Dasburg teurer als der von Lübeck nach München. Für uns Luxemburger bedeutet das Europa so manchen Aufpreis. 1, 2, 3, meins, wer mal bei Ebay erfolgreich ersteigerte, weiss um die beträchtlichen Portokosten, weil wir Luxemburger ja fast immer « Ausland » sind.
Aber nun zum Cliärrwer Kanton. Eine grenzenreiche Region. Ein frappantes Beispiel sind die Fahrtkosten bei der Eisenbahn. Selten erfährt man so schmerzlich, was eine Landesgrenze ist. So kostet ein Tagesfahrschein (« Dagesbilljee ») auf dem Luxemburger Eisenbahnnetz 4.- €. Damit kann man 24 Stunden lang von Wiltz nach Esch fahren, oder von Troisvierges nach Petingen. Und zurück. Ein « Kuerzstreckebilljee » kostet gar nur 1,50 € und ist immerhin 2 Stunden gültig.
Auch in Belgien kann man günstig fahren. Von Gouvy nach Ostende und zurück für 7 Euro und 10 Cent (mit 10-Fahrten Abo). Oder für den gleichen Preis von Arlon nach Antwerpen und zurück.
Aber wehe dem, der mit der Eisenbahn (grenzüberschreitend) von Ulflingen nach Gouvy fahren will. Da kostet die einfache Fahrt 6.- € (immerhin 242.- alte LUF) für eine Strecke von nicht einmal 10 Kilometern.
Klar, dass dies nicht in Ordnung ist. Uns ist auch bekannt, dass es Gespräche gab, um diesen Missstand aus der Welt zu schaffen. Wenn Europa unsere Heimat sein soll, wenn es im Besonderen neben dem Europa der Länder ein Europa der Regionen geben soll, dann ist diese Preispolitik unverständlich. Zugegeben, es mag zahlreiche administrative Hindernisse geben. Aber der Geist, der hier weht, ist mit Sicherheit kein Europäischer.