Léon Braconnier

Fenster der Erinnerung…

Manche Momente im Leben haben ein langes Haltbarkeitsdatum: man vergisst sie nicht so schnell. Gegenstände, Szenen, Bilder, Gespräche, Gerüche, Berührungen, es sind Augenblicke, Empfindungen, Impressionen, die sich einprägen.

In dieser Spezialnummer des Cliärrwer Kanton versuchen wir, einige Fenster
der Erinnerung weit zu öffnen.

Vieles in der modernen Welt ist auf Schnelligkeit gebaut, in einer Woche hetzt derTourist durch China, und die Chinesen und Japaner in 8 Tagen durch Europa. In einem Wimpernschlag jagen wir E-Mails um die ganze Erde, für Briefe und Telegramme haben die meisten nur noch ein höfliches Lächeln übrig. Dank Expressdiensten wachsen sogar Paketen Flügel. Lange Telefonate werden durch holprige SMS’ ersetzt, oftmals reich an Fehlern und arm an Inhalt. Fast ertrinken wir in der nie endenden Nachrichtenflut, aber Kommunikation ist Trumpf.

Doch diese Nummer handelt von anderen Epochen. Erzählt aus jenen Tagen, wo das Spielzeug nicht nur aus Tasten bestand, berichtet von guten und schlechten Zeiten, von Kriegsjahren und von handgeschriebenen Schätzen, vom mühsamem Dorfleben und harter Feldarbeit. Damals war der Horizont meistens auf die nähere Umgebung beschränkt, viele Frauen und Männer kamen selten über den Dorf- und Stadtrand hinaus, wagten kaum eine Expedition in die Hauptstadt, riskierten einmal im Leben vielleicht eine größere Reise. So sehe ich immer noch die funkelnden Augen meines Großvaters, der nach Lourdes gepilgert war. Und wenn er erzählte, konnte ich als Kind die Prozessionen sehen, die Grotte, der Lichterglanz der Kerzen schlug mich in seinen Bann.

Freuen wir uns aber nun auf eine Zeitreise! Es wird für viele ein Wiedersehen mit alt Bekanntem sein, auf andere wartet die Entdeckung. Was aber immer mitschwingt, ist die Begeisterung. Wieso berührt uns manches, wieso lassen uns tausend Objekte gleichgültig, aber für dieses eine würden wir durchs Feuer gehen? Unsere eigene Geschichte mag vieles erklären, unsere Erinnerungen. Aber es bleibt das Magische, jene geheimnisvolle Anziehung, die ein Objekt einzigartig werden lässt. Es ist wie mit der Liebe. Von Amors Pfeil getroffen, verlieben wir uns in einen Menschen, den wir fortan, manchmal für immer, mit anderen Augen sehen.

Oftmals ist es die Geschichte eines Gegenstandes, verschiedene Besonderheiten, die ihn interessant, unverwechselbar machen. In den folgenden Seiten stellen wir so manche Kostbarkeit vor, tischen Geschichte und Geschichten auf, verlieren uns in Details, stöbern in ganz persönlichen Erinnerungen. Ob von Füllfeder, Dampfmaschine, Pflug, Uniform, Manuskript, Puppe…Menschen erzählen aus ihrem Leben, erklären, wieso sie gerade von diesem Objekt so fasziniert sind. Sie lassen uns teilnehmen an ihrer Erfahrung, an ihrer Sicht der Dinge. Für alle wird es ein spannendes Erlebnis werden. Am Schluss wissen wir selbst so manches zu erzählen. Bitte, lassen Sie uns daran teilhaben, verehrte Leserinnen und Leser: die Seiten des Cliärrwer Kanton stehen Ihnen offen.

Einige Jahre vor seinem Tod hatte ich Tony Bourg zu Gast in der Apotheke. Wir sprachen über dieses und jenes, und mehr oder weniger zufällig zeigte ich meinem Besucher ein gerade erworbenes Buch: Balladen von François Villon. Tony Bourg blätterte in dem Werk, schlug eine Seite auf. Es war die « Ballade des Dames du Temps Jadis ». Der Professor las spontan die Zeilen vor, alle 4 Strophen. Und alle endeten mit den Worten « Mais où sont les neiges d’antan? » Diese warme Stimme, diesen schönen Satz habe ich nie vergessen.