Léon Braconnier
Musik
Von allen Künsten ist Musik diejenige, die den Menschen wohl am meisten berührt. Man kann von einem Buch begeistert sein, fasziniert von einem Gemälde oder einer Skulptur, Du magst von einem Kinofilm überwältigt sein, die Musik aber berührt Deine Seele, lässt die innersten Schichten Deines Bewusstseins schwingen.
Ob Jazz, Klassik, Pop, Blues, Rock oder Country, ob Symphonieorchester, Bigband, Solo-Gitarre oder A Cappella Gesang, Musik hat tausend strahlende Gesichter. Musik begleitet unser tägliches Leben, vom Autoradio, Berieselung im Supermarkt, von Lounge Klängen im Restaurant über Ohrstöpsel bis zur privaten Musikanlage. Und bis zur Baustelle: das wetter- und staubfeste Baustellenradio hat sich definitiv etabliert. Nun arbeitet das ganze Baugewerbe im Rhythmus der Musik, der Nachrichten, der Werbung und der Verkehrsmeldungen.
Die Wiedergabe der Musik geht seit jeher mit der Evolution der Technik einher. Ein Menschheitstraum war über die Life-Musik hinaus das Konservieren und Abspielen von gespeicherten Klängen und Melodien. Von der letztlich simplen Technik eines Glockenspiels über die Musikdose zum aufwändigen Musikautomaten, erst mit der Erfindung der Schallplatte und des Radios kam der große Durchbruch der Klangindustrie. So wurde es möglich, die dramatische Schönheit des Sonnenuntergangs in der Savanne mittels Trichtergrammophon noch zu steigern. Natürlich änderte die rasante Evolution in den letzten Jahrzehnten sämtliche Vorgaben. Mit dem Tonbandgerät als Eltern wurde in den 60er Jahren die bespielbare Kompaktkassette geboren, später, auf Kosten der ehrwürdigen Schallplatte, eroberte die rausch- und knisterfreie CD den Markt. Aber auch deren Siegeszug gerät nun ins Stottern, die zunehmende Digitalisierung ermöglicht neue Wege, vom MP3 Player und Handy über Streaming Dienste bis zum Internet Radio, über das man zehntausende Sender aus aller Welt in der Wohnung empfangen kann. Und das in meist annehmbarer, ja manchmal erstaunlich hoher Qualität. Trotzdem erfährt gerade in den letzten Jahren die „alte“ Vinylscheibe eine Renaissance unter Hifi-Freunden. Nicht wenige schwärmen auch vom „warmen“ Klang der Röhrengeräte. Unvergessen sind tatsächlich die gemütlichen Röhrenradios in den Stuben und Küchen der 50er Jahre, wo man auf UKW die Chronik von Paul Leuck verfolgte, und Sonntag nachmittags das Wunschkonzert mit Jeanine. Gab es einen Sonntag ohne „de Jangeli fiirt den Houwald erop“ und „Soeur Sourire“ mit „Domi-nique-nique“?
„Musik ist ein Teil des schwingenden Weltalls“, so Ferrucio Busoni. Und Oscar Wilde sagte: „Musik ist der vollkommene Typus der Kunst: Sie verrät nie ihr letztes Geheimnis“. Keine Frage, wie keine andere Kunstform gehört Musik zum Leben, zum Alltag. Natürlich auch in unserer Region. Tagtäglich, wenn der Tag die Nacht verabschiedet, steigen die ersten gregorianischen Gesänge in der Abtei zum Himmel. Und abends, kurz vor 21 Uhr, mit dem ergreifenden Salve Regina, die letzten. Wohl nirgendwo im Land wird diese ehrwürdige Wurzel der europäischen Musik so gepflegt. Die musikalischen Impulse der Benediktinerabtei beschränken sich aber nicht auf das Singen, unvergessen das beeindruckende Werk von Pater Paul Benoît (1893 – 1979), ein Meister an der Orgel, natürlich vor allem an der historischen Mutin-Cavaillé-Coll Orgel der Abteikirche.
Auch die einzigartige Musikschule der UGDA sorgt tagtäglich für eine beträchtliche Klangproduktion. Was hier geleistet wurde und wird, setzt Maßstäbe. Das Aufblühen oft über hundert Jahre alter Musikgesellschaften im Kanton Clerf ist ein selbstredendes Zeugnis. Welch ein Anblick, diese vielen jungen Gesichter neben den erfahrenen, wohl selten in der Geschichte erreichten unsere „Musiken“ ein derart hohes Niveau! Musik hören ist gut, ein Instrument spielen, selber singen ist natürlich eine Steigerung in Punkto Musikerlebnis. Wer weiß schon, wieviele Klarinetten, Flöten (wohl das älteste Instrument überhaupt), Trompeten, Hörner, Klaviere sich in den Häusern des Kantons Clerf befinden? Wie viele Einwohner tagtäglich, naja fast täglich üben, vom mitunter schwierigen Pianissimo zum herausfordernden Solopart?
Aber diese Seiten erzählen natürlich auch vom einmaligen „Klenge Maarnicher Festival“ mit dem 1987 eine vollkommen neue Seite im musikalischen Angebot der Großregion aufgeschlagen wurde. Die Organisation eines Festivals klassischer Musik auf dem Land war eine Pionierleistung, die nie kleingeredet werden darf. Ich behaupte mal, dass das erste Konzert in der Marnacher Dorfkirche damals ein Schnittpunkt war. Ohne „Klenge Maarnicher Festival“ hätte das Cube 521 wohl nie das Licht der Welt erblickt, ein Kulturhaus von dessen unglaublichen musikalischen Höhepunkten Odile Simon in diesem Heft erzählt. Diamanten am Firmament der Erinnerung!
Klar, dass wir auch auf die „Journées du Chant Grégorien“ des Cliärrwer Kanton eingehen. Auch dieses so erfolgreiche Festival in der Abtei liefert einen entscheidenden Beitrag zu einem musikalischem Kanton, genau wie die unvergessenen Konzerte (Requiem von Mozart und Fauré z.B.) die unsere Vereinigung in der Dekanatskirche, im Innenschlosshof, sowie in der Loreto-Kapelle organisiert hatte. Von Guy Schons’ musikalischer Luxemburgensia über Mergenthalers „Musik für einen Engel“, das Konzertangebot unserer Vereinigung schrieb Geschichte.
Natürlich sollen aber auch einige Sorgen nicht unerwähnt bleiben. Die meisten, wie könnte es anders sein, sind finanzieller Natur. So wäre De Klenge Maarnicher Festival ohne Idealismus, ohne größten persönlichen Einsatz von Romain Kremer und seinen Mitstreitern schon lange am Ende, von der schwierigen finanziellen Gratwanderung ganz zu schweigen. Auch das Cube 521 kämpft um jeden Euro; es stellt sich die Frage einer gerechten Verteilung in unserem Lande. Der staatliche Zuschuss für „unser“ Kulturhaus, in Zuschauern und Vorstellungen gemessen, schien über all die Jahre knapp bemessen im Vergleich zu anderen. Umso hoffnungsvoller stimmt der Beschluss des Kulturministeriums, die staatliche Hilfe nach klaren und nachvollziehbaren Kriterien neu festzulegen. Dass die Kosten manches Konzertes in der Philharmonie dem Jahresbudget des Kulturhauses in Marnach entsprechen, kann schon nachdenklich stimmen … umso beachtlicher die Verdienste des Cube-Teams, mit letztendlich überschaubaren Mitteln ein so tolles Programm auf die Beine zu stellen.
Auch wenn jeder einzelne von uns Musik sehr persönlich erlebt, Musik verbindet die Menschen. Untereinander, aber auch mit der geheimnisvollen, zeitlosen und unendlichen Schönheit, mit dem Genie der Komponisten und dem manchmal göttlichen Können der Musiker und Sänger. Neben der Liebe ist die Musik wohl das Schönste auf Erden.
„Musik ist die Kunst“, so Theodor Storm, „in der sich alle Menschen als Kinder eines Sterns erkennen sollen“. Ein schöneres Schlusswort, glaube ich, kann man sich nicht vorstellen.