André Bauler

Frühlingsgefühle im Clerfer Kanton?

Mit ihrem typischen Gekrächze kündigen die „Krukerten“ oder „Hoergänsen“ seit Ende Februar den Frühling an. Anfang März, also zu Beginn des meteorologischen Frühjahrs, schien die Sonne über allen Koppen des Öslings, erwärmte die Gemüter und ließ erste Frühlingsgefühle sprießen.

Bereits in der Karnevalswoche, in welche dieses Jahr auch Mariä Lichtmess fiel, entfalteten einige Osterblumen ihre gelbe Pracht in meinem Vorgarten. Seit ich mich erinnern kann, habe ich das noch nicht erlebt. Eigentlich verrückt, wenn man bedenkt, dass Narzissen normalerweise erst im letzten Drittel des Märzes blühen. Aber was ist heute schon „normal“?

In der Tat, 2016 ist aus meteorologischer Sicht ein sehr „frühes“ Jahr. Ob dies damit zu tun hat, dass der nun vergangene Winter nicht einmal so richtig wusste, ob er denn nun ein Winter sein sollte oder nicht, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Sicher ist nur, dass wir nun den angenehmen Monaten entgegenblicken können, in denen die Tage länger als die Nächte sind und in denen wir uns viel in der Natur bewegen dürfen. Es sind Tage des Neubeginns und des Optimismus’.

Ja, der Lenz, und ganz besonders sein Wonnemonat Mai, verbildlichen mit blütensprießenden Obstbäumen, blumen-übersäten Wiesen und leuchtenden Himmeln den alljährlichen Neuanfang.

Jedes Jahr schenkt uns der Frühling frischen Mut, er macht Lust auf Neues und erfüllt uns mit der Hoffnung auf ein gelingendes und fruchtbares Jahr.

Frühlingsgefühle entwickeln wir auch, wenn wir mit eigenen Augen den heranwachsenden Bau des Clerfer Lyzeums (LCL) beobachten. Von weitem sieht die Großbaustelle noch etwas unübersichtlich und verworren aus. Doch beim näheren Hinschauen bemerken wir schnell, dass hier alles seine Ordnung und seinen Fortgang hat. Hinter dem hölzernen Zaun, der den Bauplatz vor vorwitzigen Blicken und ungebetenen Gästen schützen soll, entsteht mitten im Kanton nach und nach ein schulisches Zentrum, das der Region neuen Schwung verleihen wird.

In nur wenigen Monaten hat sich bereits etliches im Tal der Clerf getan. Das Wirrwarr an Materialien unterschiedlicher Natur und die vielen Menschen, die an diesem Werk beteiligt sind, zeigen, dass hier etwas Einmaliges entsteht; ein für unsere Gefilde doch sehr großes und außerordentliches Unterfangen, das den Bürgern der Nordspitze und insbesondere ihren Kindern beziehungsweise Enkeln zugute kommt.

Denken wir an das neue Lyzeum, ergreift uns wahrlich eine Stimmung des Erwartens und der Vorfreude, welche bekanntlich die schönste aller Freuden sein soll.

Langsam aber sicher geht somit ein Traum in Erfüllung. Viele Köpfe und Hände verwirklichen diese neue Schule. Mit ihrem täglichen Schaffen führen sie allmählich ein Projekt zum guten Ende, das unsere Vereinigung seit Beginn des Jahrhunderts unentwegt thematisierte – getreu dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Alice Enders und Adrien Wouters fotografieren in regelmäßigen Abständen dieses beeindruckende und zukunftsweisende Projekt. Im Laufe der Zeit werden uns so dank ihrer Aufnahmen die verschiedenen Bauetappen des LCL vor Augen geführt. Doch die neue Schule ist nicht die einzige Baustelle des Kantons.

Auch die N7 bleibt weiterhin im Fokus des öffentlichen Interesses. Sie gehört zu den infrastrukturellen „Lebensadern“ unserer Gegend. Kein Wunder, dass mehrere Abgeordnete dazu parlamentarische Fragen gestellt haben, z. B. zum neuen Verkehrskreisel Marnach und seiner problematischen Anbindung an die N10 auf „Bombatsch » (Bauler/Mertens). Auch der Clerfer Gemeinderat befasste sich unter dem Vorsitz von Emile Eicher mit diesem Thema. Der Nachhaltigkeitsminister hat nun auf eine Frage der vier CSV-Nordabgeordneten reagiert und angekündigt, dass die B7 zwischen Ettelbrück und Colmar-Berg auf vier Spuren ausgebaut werden soll. Einen genauen Zeitpunkt hat er nicht genannt.

Noch 2016 sollen hingegen die Arbeiten am Kreisel „Fridhaff“ beginnen. Hier dürfte dann endlich ein „Bypass“ entstehen, der es erlaubt, den täglichen Verkehrsstau in den Morgenstunden schneller aufzulösen.

Die ständigen Autoschlangen ab Hosingen zeigen einmal mehr, dass das Ösling, trotz vieler Anstrengungen seitens des Gemeindesyndikats SICLER und anderer Strukturen, Opfer einer versäumten Dezentralisierungspolitik geworden ist.

Sicherlich soll unsere Region einerseits ihre unverwechselbare Kulturlandschaft bewahren. Das ist unter anderem auch die Rolle der Naturparks und unserer Landwirte. Andererseits müssen in ihr auch zukünftige Arbeitsplätze geschaffen werden. Hier gibt es durchaus Lichtblicke. Im neuen Lyzeum werden so zum Beispiel ab September 2018 um die 100 Menschen arbeiten. Auch das sich ob der Herausforderungen in Sachen Energieeffizienz verändernde Bauhandwerk schafft ständig Arbeitsplätze und bietet dem Ösling großes Entwicklungspotenzial.

Was wäre die Wirtschaft des Clerfer Kantons ohne die zahlreichen privaten Initiativen? Es fehlte ihr an Diversität und Fortschrittlichkeit. Es mangelte ihr schlichtweg an Zukunft.

Einer meiner Bekannten, der im Clerfer Kanton ein mittelständiges Unternehmen leitet, suchte vor Wochen vergeblich nach einem Computerprogramm, um seine Buchhaltung zu modernisieren, sprich effizienter zu gestalten. Er suchte eine solche Software in Köln, Berlin und anderswo. Umsonst! Letztlich fand er sie nicht in Deutschland, in Frankreich oder bei unseren belgischen Nachbarn, sondern – „Das Gute liegt so nah ! » – … in Weiswampach! Hier ist ein Informatikbetrieb tätig, der solche Programme auf Maß erarbeitet und vertreibt.

Ja, es gibt in unserer Region durchaus Platz für Neues und Eigenständiges, für Innovation und Unternehmergeist, für zukunftsträchtige und raumsparende Betriebe, für Firmen mit handwerklichem Know-How, für Ideen und Projekte aller Art; kurzum, für dauerhafte Arbeitsplätze im Handwerk und im Dienstleistungsbereich.

Seit 2005 sind die Anfragen beim „Guichet unique PME“ mit Sitz in Clerf um über 50% gestiegen. Zwischen 2013 und 2015 haben sich die Anfragen von Firmen nach Grundstücken mehr als verdoppelt. Sie stiegen von 45 auf 105. Die Aktivitätszonen in Hosingen, Lentzweiler und Ulflingen sind fast alle ausgelastet und es wird bereits an eine vernünftige Ausdehnung dieser Zonen gearbeitet bzw. gedacht.

Doch solche Erweiterungen kommen seit Jahr und Tag nur schleppend voran, weil das prozedurale Dickicht die Planungen und ihre Umsetzung erschwert. Dabei scheint in den Amtsstuben der Hauptstadt gelegentlich vergessen zu werden, dass sich hinter diesen Vorhaben Arbeitsplätze, menschliche Schicksale, ja die gesellschaftliche Zukunft einer ganzen Region verbergen.

Auch Bauland wird immer mehr zu einem beträchtlichen Kostenfaktor. Gerade deshalb spielt das SICLER als Gemeindesyndikat eine entscheidende Rolle, weil die Bereitstellung von Bauterrains durch eine interkommunale Struktur für Firmen günstiger ausfällt.

Die Zukunft des ländlichen Raums bleibt also auch weiterhin ein Thema. Gerade in Punkto Dezentralisierung besteht bereits seit langem Handlungsbedarf. Denn der immer stärker werdende Sogeffekt der Hauptstadt und Esch/Belvals ist unbestreitbar – und riskiert noch beträchtlicher zu werden. Ersterer erklärt größtenteils, weshalb viele Autofahrer aus dem Ösling, die nicht in allen Fällen auf den öffentlichen Transport zurückgreifen können, morgens und abends im Stau stecken bleiben.

Natürlich muss alles daran gesetzt werden, um die Öslinger Kulturlandschaft und ihre Natur zu bewahren. Der Norden ist jedoch auch nach wie vor auf neue Arbeitsplätze und damit auf Aktivitätszonen angewiesen. Und deshalb entsteht keine Dynamik ohne die Diversifizierung und die Modernisierung seiner wirtschaftlichen Strukturen, auch und gerade aus sozialer und demografischer Perspektive.

Experten beschwören die „endogene“ Entwicklung, also die Bemühungen der regionalen Akteure, welche die Region aus eigenen Kräften voranbringen. Ohne den Geschäftssinn verschiedener Privatinvestoren und ohne den Einsatz von Politikern auf (inter-)kommunaler Ebene wäre die Nordspitze aus wirtschaftlicher Sicht in den letzten Jahrzehnten nicht vorangekommen.

Darüber hinaus bedarf es aber auch staatlicher Initiativen, wenn man das Ösling stärken will. Die Errichtung des Lyzeums gehört freilich zu den strategischen Investitionen. Wer Steuergelder für Bildungseinrichtungen ausgibt und eine hochwertige Ausbildung anbietet, der investiert in die Zukunft der Jugend. Wie bereits erwähnt wird das LCL in einer ersten Phase fast hundert Arbeitsplätze schaffen, was einen wesentlichen Schritt in Sachen Zukunftssicherung des ländlichen Raumes darstellt.

Zukunft sichert man auch, indem man neue Bereiche erschließt, etwa auf dem Gebiet der naturwissenschaftlich orientierten angewandten Forschung. Auch hier können sich für das Nordösling neue Chancen eröffnen. Vor kurzem erst klopfte ein Betrieb, der im Forschungsbereich tätig ist, an die Türen des SICLER und schien sich stark für den Standort Clerfer Kanton zu interessieren. Warten wir einmal ab, wie sich dieses oder ähnliche Dossiers in den nächsten Monaten weiterentwickeln.

Wenn das Ösling eine lebenswerte Region mit einer dynamischen Bevölkerung bleiben soll, in der sich soziale und kulturelle Dienste, wirtschaftliches Schaffen sowie Naturschutz ergänzen, sind wir auf eine pragmatische Umweltschutzpolitik und verständnisvolle Behörden angewiesen, die nicht zögern, den kleinen und mittelständischen Unternehmen manchmal schlicht unsinnige Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.

Wir brauchen demnach regionale Zentren auf dem Land, in denen Wohnen, Arbeiten und Wirtschaften unter einen Hut gebracht werden.

Dezentralität darf also kein hohles Schlagwort sein. Die Landesplaner sind gefordert, die dezentrale Konzentration endlich als Herausforderung anzunehmen und konkrete Akzente zu setzen.

Und die Vertreter der Politik, egal welcher Couleur, müssen wahrlich alles daran setzen, damit die Interessen unserer Region in den hauptstädtischen Amtszimmern unentwegt verteidigt und ernst genommen werden.

Nur so werden die Frühlingsgefühle im Clerfer Kanton auch zu dauerhaften Früchten führen.

In diesem Sinne wünsche ich unseren Lesern eine frohe Osterzeit.