André Bauler

40 Jahre « De Cliärrwer Kanton » – Zusammen nach vorne schauen

In unserer heutigen Welt werden wir mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert: vom Klimawandel, über Migration und wirtschaftliche Ausbeutung bis hin zur mutwilligen Natur- und Denkmalzerstörung. Die Welt, in der wir leben, ist komplizierter geworden; und unsere Gesellschaft, in der sicherlich nicht alles schlecht ist, ein Stück egoistischer und hedonistischer.

Ich habe deshalb persönlich großen Respekt für alle Menschen, die durch ihr freiwilliges, ja selbstloses Engagement dafür sorgen, dass unsere Welt ein stückweit besser wird. « Think global, act local » war wohl auch eine der Devisen unserer Vorgänger und Gründer. Sie setzten sich ab 1979 dafür ein, dass es den Bürgern unseres Kantons wieder besser gehen sollte; denn die Nordspitze war damals ohne Zweifel eine fast vergessene Gegend des Landes, in der es an zahlreichen Infrastrukturen und Diensten fehlte. « Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott » war das Leitmotiv der Gründerväter. Sie läuteten die Alarmglocken und sorgten dafür, dass sich die damalige Regierung vollzählig nach Clerf bewegte, um sich die Sorgen der hiesigen Bevölkerung anzuhören.

Doch genug in die Vergangenheit geschaut. Heute müssen wir den Blick resolut nach vorne richten. Denn wir stehen vor neuen Herausforderungen, nicht nur weltweit, auch national und regional. Der Clerfer Kanton wird davon nicht verschont bleiben. Auch hier befindet sich manches im Wandel. Darauf sollten wir uns vorbereiten und nicht tatenlos zusehen.

Gerade deshalb hatten wir am 18. Mai einen aufschlussreichen Austausch in Binsfeld mit unterschiedlichen Partnern im « Musée rural ».

Wir wollen in der Tat den 40. Jahrestag unserer Gründung nutzen, um die zukünftige Entwicklung unserer Region, der Nordspitze, ins Auge zu fassen. Wir wollen 2019 nicht einfach so verstreichen lassen; es reicht eben nicht, einzig und allein selbstzufrieden auf das Erreichte zurückzuschauen und es dabei zu belassen. Nein, wir müssen zielstrebig nach vorne blicken und uns fragen, welche Aufgaben in den nächsten zehn Jahren auf uns warten und zu bewältigen sind.

Sollen wir als « De Cliärrwer Kanton » auch weiterhin als Impulsgeber arbeiten? Sollen wir, neben unseren kulturellen Tätigkeiten, die Rolle eines Vordenkers oder Förderers spielen, wie dies z.B. im Vorfeld der Entstehung des Lyzeums der Fall war?

Ich denke, dass wir diese besondere Aufgabe beibehalten sollen, ja müssen. Aber wir können dies nicht alleine tun. Wir brauchen konstruktive und wohlüberlegte Anregungen aus der Zivilgesellschaft. Denn wir sind auf die Ideen unserer Mitglieder sowie externer Partner angewiesen. Diese bereichern die Debatte über die zukünftige Ausrichtung der Nordspitze auf unterschiedlichen Ebenen.

Das Gespräch vom 18. Mai war alles andere als einfallslos oder gar umsonst. Ganz im Gegenteil: Die Mitdiskutanten unterbreiteten etliche Vorschläge. Etwa die personelle Verstärkung der öffentlichen Verwaltung im ländlichen Raum, vornehmlich aber in der « Nordstad ». Die Hauptstadt kann eben nicht das alleinige Verwaltungszentrum des Landes bleiben und Dezentralisierung darf keine hohle Floskel sein. Zudem heißt es, alles daran zu setzen, damit die Zuverlässigkeit der Zugverbindungen zwischen Ulflingen und Luxemburg verbessert werden. Bekanntlich soll ja ab 2021 das eingesetzte Transportmaterial nach und nach verbessert werden.

Einige Gesprächsteilnehmer prophezeiten, dass sich auch unsere lokale Wirtschaft in den nächsten Jahren durch den technologischen Fortschritt spürbar verändern wird. Von großen Firmen hin zu kleineren, überschaubareren Betrieben. In diesem Zusammenhang spielen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und 3D-Druckverfahren Eine bestimmende Rolle. Auch dem Handwerk, besonders dem Kunsthandwerk, werden große Entwicklungschancen zugeschrieben. Wir brauchen auch zukünftig eine industrielle Struktur im Kanton. Diese wird sich verändern, vor allem im Zuge der erforderten Umstellungen im Kontext der Zirkularwirtschaft.

Auch die Frage der schulischen Ausrichtung wurde aufgeworfen. Es ist begrüßenswert, dass Clerf seit September Standort eines Lyzeums mit europäischem Profil ist. Wie können wir nun dieses Angebot bestens promoten und es zudem gegenüber Investoren, die in der Region aktiv werden wollen, geltend machen? Auf jeden Fall gehört das Lyzeum nun zu den Trümpfen, die die Attraktivität der Region ausmachen. In den nächsten Jahren weiten die Verantwortlichen auch das Bildungsangebot für Erwachsene aus.

Kultur spielt eine große Rolle im Kanton. Viele kleinere Vereine engagieren sich redlich und die Veranstaltungen des Cube 521 ziehen immer wieder viele Menschen an. Die Ausstellung « Family of Man », die durch die Unesco geschützt ist und zum Weltkulturerbe gehört, ist das Aushängeschild der « Cité de l’Image ». Hier stellt sich die Frage, wie man diese « Cité » aktiver, kooperativer und innovativer gestalten kann. Die Ausstellung über den Ersten Weltkrieg hat einmal mehr gezeigt, dass kulturell-historische Publikumsmagnete der ganzen Region nützen und Menschen von nah und weit anziehen.

Somit ist der Bezug zum Tourismus schnell hergestellt. Unter dem Motto « Mir sinn uewen » hat das ORTAL einen Masterplan erstellt, der die weitere Entwicklung der Region mitbestimmen soll. Aus touristischer Hinsicht ist vieles geschehen, vieles bleibt aber noch zu tun. Auf jeden Fall gilt es, die Ardennen und die Eifel verstärkt als europäische Kulturlandschaft zu fördern; ähnlich dem Südtiroler Modell, wie ein Teilnehmer bemerkte.

Zu den sozialen Herausforderungen zählt sicherlich, dass wir neue Mitbürger kennenlernen und sie am öffentlichen Leben beteiligen. In den letzten Jahren sind viele Menschen in unsere Gegend gezogen. Sie gilt es in das gesellschaftliche Leben oder in kulturelle Veranstaltungen einzubinden; sie heißt es zu begegnen und ihre Potenziale zum Wohle aller zu nutzen. Leider arbeiten viele Menschen im Kanton – wohnen jedoch nicht hier, weil sie eben in der Grenzgegend ansässig sind. Das erklärt wohl auch, weshalb es den Betrieben manchmal schwerfällt, sich ins gesellschaftliche Leben in der Region einzubringen.

Die Teilnehmer der Diskussionsrunde überlegten zudem, inwiefern Firmen ihrer sozialen Verantwortung starker gerecht werden können, indem sie sich in Projekte einbringen, die der Gesellschaft zugutekommen. Alles in allem kann man festhalten, dass sich das « Mai »-Gespräch gelohnt hat und eine Art Startpunkt für regelmäßige Ideen-Werkstätten sein sollte. Wir werden uns ab 2020 dazu konkrete Gedanken machen und über etwaige Rundtischgespräche für unsere Mitglieder nachdenken.

Mitte November 2019 wollen wir aber nun erst einmal feiern. Das neue Lyzeum bietet dazu aus mehrfacher Ursache den geeigneten Rahmen. Wir freuen uns sehr auf diese Veranstaltung, die in einer sympathischen und freundschaftlichen Atmosphäre über die Bühne gehen soll. Es dürfte wohl die Gelegenheit sein, sich wiederzusehen und zusammen nach vorne zu schauen.

Doch vorerst wünsche ich Ihnen allen einen erholsamen Sommer und bedanke mich sehr herzlich für Ihre Treue unserer Vereinigung gegenüber.