André Bauler

Leere Gotteshäuser: eine gesellschaftliche und kulturelle Herausforderung

Das Weihnachtsfest ist alljährlich ein Fixpunkt im Ablauf unseres Lebens. In vielen christlich geprägten Familien werden die Tage, an denen man der Geburt Christi gedenkt, im Kreise der Liebsten begangen. Die einen genießen das Zusammensein von Jung und Alt. Andere wiederum freuen sich insbesondere auf einen üppigen Festschmaus und etliche Geschenke.

Je nach Land, Region und Tradition wird Weihnachten anders gefeiert — im Kreise der Familie, mit Kindern und Enkelkindern. Aber auch in der Einsamkeit, im Krankenhaus, im Seniorenheim oder in den eigenen vier Wänden, zumal wenn Familienmitglieder weit entfernt von zuhause leben oder Weggefährten einen für immer verlassen haben. Für manche Menschen ist Weihnachten mit unzähligen Erinnerungen aus Kindheit und Jugend verbunden. Wer denkt nicht an herrliche Spaziergänge oder Schlittenfahrten deckte Tafeln und an mit glitzerndem Lametta geschmückte Tannenbäume oder an den Besuch der Christmette in der heimeligen Dorfkapelle?

All dies mutet teilweise wie märchenhafte Geschehnisse aus längst vergangener Zeit an. Weihnachten ist heute mehr denn je ein Fest des Konsums geworden. Und so manche Familien tun sich schwer, während der Festtage in Gelassenheit und Frieden zusammenzufinden. Ganz zu schweigen vom Gottesdienstbesuch, der in unseren Tagen nur noch von den allerwenigsten Menschen praktiziert wird – eine nüchterne Feststellung, die ich keinesfalls bewerten möchte. Das Ambiente früherer Zeiten ist fast gänzlich verflogen. Geblieben sind Weihnachtsmärkte mit Speis und Trank, verkaufsoffene Sonntage, Adventskonzerte allerorten sowie gesellige Jahresabschlussfeiern: Weihnachten, das Fest der Liebe, Freude und Besinnlichkeit, ein Stresstest?

Wie auch immer: Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, wie meine Mitmenschen, ob religiös orientiert oder nicht, einen der wichtigsten christlichen Feiertage persönlich begehen wollen. Schade nur, dass vom anfänglichen Grundgedanken dieses Festes nur noch wenig übrig geblieben zu sein scheint. Wie schön wäre es doch, wenn wieder etwas mehr Besinnlichkeit und Ruhe die Tage vor und nach Weihnachten bestimmen würden.

Als Kinder besuchten wir in der Weihnachtszeit mit unseren Eltern die Dorfkirche. Dort bestaunte ich die mit viel Gefühl und Kreativität aufgestellte Krippe, die uns träumen ließ und uns mit ihren feingeschnitzten Figuren in eine Art Zauberwelt tauchte. Damals konnte man in fast allen Gotteshäusern solche Krippenlandschaften bewundern, Bilder, an die man sich gerne erinnert, wenn man ans Fest denkt.

Heutzutage jedoch stehen so manche Kapellen und Kirchen leer. Von Krippen und Weihnachtsbäumen keine Spur. Regelmäßiger Gottesdienst wird nur noch an zentralen Orten gefeiert. Die traditionelle Volkskirche ist der römisch-katholischen Hierarchie gänzlich abhanden gekommen. Dies führt dazu, dass immer mehr Kirchen entweiht werden (müssen). Ein Prozess, der in anderen Ländern bereits weit fortgeschritten ist. In Luxemburg stehen wir damit wohl erst am Anfang.

Allmählich stellt sich nun also auch bei uns die Frage, was mit diesen sakralen Bauten geschehen soll. Vor kurzem hatte deshalb die Berufsvertretung der Architekten und Ingenieure (OAI) zu einem Seminar eingeladen, während dem dieses Thema erörtert wurde. In der vorliegenden Ausgabe unserer Zeitschrift finden sie einen Beitrag dazu.

Es gibt sicherlich viele alternative Verwendungsmöglichkeiten für früher religiös genutzte Bauten. Ehemalige Gotteshäuser können als Versammlungs-, Konferenz-, Seminar- oder Ausstellungsraum dienen, aber auch als Bibliothek, Museum, Musikhalle, Klassensaal oder gar als Speiseraum mit Übernachtungsmöglichkeit. Oder schlicht und einfach als Ort der Meditation und des Loslassens – z.B. an einem Wanderweg gelegen –, an dem man in sich kehrt, um zu sich selbst zu finden.

Auf jeden Fall muss jede alternative Verwendung den ursprünglichen Zweck des Gebäudes anerkennen. Jede neue Nutzung sollte demnach im Einklang mit der historisch gewachsenen Architektur sein. Deshalb wäre es auch ratsam, darauf zu achten, dass wertvolles Mobiliar geschützt wird, zumal wenn es ein bisher unangetastetes, unverändertes Ensemble darstellt. Damit dies gewährleistet ist, fällt der nationalen Verwaltung für das Kulturerbe eine zentrale Verantwortung zu. Auch einzelne Bürger können sich mittels eines Bittgesuchs beim Kulturministerium für den Erhalt von nicht klassierten, kunsthistorischen Inneneinrichtungen einsetzen.

Das Thema „Entweihte Gotteshäuser und ihre zukünftige Nutzung“ wird uns wohl oder übel auch in Zukunft beschäftigen, da sowohl die Zahl der Priester als auch die der praktizierenden Christen weiter rückläufig sein wird, ob uns dies nun gefällt oder nicht. Diese Tatsache ist gleichzeitig eine Herausforderung, nicht bloß für die Kirche selbst, sondern auch für die Gemeinden und für den Staat.

Hoffentlich gelingt es den Kommunen, aus dieser Situation das Beste zu machen, zum Wohle ihrer Bürger und im Respekt mit unserer einheimischen Kultur – auch und gerade im Norden des Landes.

Frohe Weihnachten und alles Gute zum kommenden Jahr 2022! Bleiben Sie uns treu und unterstützen Sie uns auch weiterhin! Dafür danken wir ihnen herzlich.