André Bauler
Aufbruch oder Niedergang?
Ein Vierteljahrhundert nach dem Beginn eines neuen Jahrtausends steht die Welt an einem Wendepunkt. Die aktuelle geopolitische Lage Europas ist ernst, sehr ernst. Soziale und politische Spannungen in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wachsende Rivalitäten zwischen den ökonomischen Machtblöcken dieser Welt, kriegerische Auseinandersetzungen sowie die unübersehbaren Folgen des Klimawandels begünstigen derzeit eine generelle Atmosphäre der Instabilität und der Ungewissheiten.
Bisher fußte unser materielles Wohlergehen auf einem Europa des Friedens und der Partnerschaften. Dies alles scheint aber zusehends infrage gestellt zu sein. Heute werden unsere Demokratie und unsere Freiheit mehr denn je bedroht.
Die Migrationsfrage ist zu einem der zentralen Themen unseres Kontinents geworden. Sie spaltet mehr denn je die Gesellschaft. Zudem hat Europa auch an wirtschaftlicher Attraktivität und Stärke eingebüßt, zumindest im Vergleich mit Giganten wie China, den USA, Indien und anderen globalen Playern. Wir leben mittlerweile in einer völlig anderen Welt als noch vor Beginn des 21. Jahrhunderts. Vieles ist unbeständiger geworden. Das führt zu Zweifel und Ängsten, auch in unserem Land. Es wäre aber wenig ratsam, zu pessimistisch zu sein. Daher gebietet es sich, uns auf unsere Stärken zu besinnen und, trotz mancher Widrigkeiten und Krisen, positiv zu denken. In der Tat: Wir können uns nur gut weiter entwickeln, wenn wir bereit sind, Herausforderungen anzunehmen, auf zukunftsträchtige Innovationen zu setzen und den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren.
In unserer diesjährigen Spezialnummer haben sich unsere Autoren mit dem Thema der Immigration befasst. Der Kanton Clerf hat sich seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf demographischer Ebene spürbar verändert. Ausländische Mitbürger stellen mittlerweile 35% der gesamten Bevölkerung des Kantons dar. Diese stammen aus aller Herren Länder, insbesondere aus Portugal, Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, aber auch aus entfernten Staaten, weit außerhalb der EU. Ein beachtlicher Teil der neuen Mitbürger trägt zu unserem Wohlstand bei, hilft also unseren Reichtum zu mehren.
Betrug die Bevölkerung des Clerfer Kantons 1970 um die 9.600 Einwohner, so waren es 2024 über 21.200, also mehr als das Doppelte. Der nördlichste Kanton bietet derweil eine vielseitige Palette an Dienstleistungen an. Die Gemeinden und der Staat investierten in den letzten drei Jahrzehnten in zeitgemäße Schulinfrastrukturen, in Freizeitangebote oder in soziale Dienstleistungen. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Anstrengungen dazu geführt haben, die Landflucht, die wir noch bis in die 1980er Jahre hinein verzeichneten, zu stoppen und den demographischen Trend umzukehren.
Heute lässt es sich sehr gut in der Nordspitze leben. Auch wenn sich unsere Welt seit dem Jahre 2000 stark gewandelt hat, so sollten wir, trotz mancher Rückschläge und kritischer Momente, nicht zu zögerlich, ja pessimistisch in die Zukunft schauen. Denn Angst und Hoffnungslosigkeit sind immer schlechte Ratgeber.
Gerade deshalb ist es so wichtig, unsere Jugend auf die zukünftigen Herausforderungen bestmöglich vorzubereiten, sie auf die Gefahren einer stets undurchsichtigeren Welt der Digitalisierung und des verführerischen Konsums sozialer Medien aufmerksam zu machen und ihnen berufliche Perspektiven mit Bestand, insbesondere in unserer Region, vor Augen zu führen. Der Norden des Landes braucht auch in den nächsten Jahren dynamische Arbeitskräfte und einen intensiven Investitionsschub, vor allem in Sachen Verbesserung der öffentlichen Transport- und Telekommunikationsverbindungen. Dies gilt auch für die Gesundheitsversorgung.
Unsere Vereinigung hat sich unentwegt dafür eingesetzt, dass es dem Norden auf materieller Basis besser geht. Wir haben immer gesagt, dass das kulturelle Leben erst dann zur vollen Entfaltung gelangt, wenn die infrastrukturellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen stimmen.
Angesichts der momentanen geopolitischen Zerwürfnisse dürfte 2025 wohl ein Schicksalsjahr werden. Auch das kleine Schiff Luxemburg fährt gegenwärtig durch stürmische Gewässer. Niemand weiß, wie lange der Krieg im Osten Europas noch andauern wird. Niemand weiß, welche Risiken die „Künstliche Intelligenz“ in sich birgt. Und keiner weiß, ob der Zusammenhalt in Europa wieder gestärkt werden kann.
Wir wissen nur, dass Wohlstand und Frieden nicht ohne Anstrengungen errungen und erhalten werden können. Und wir wissen, dass gewohnte Selbstverständlichkeiten der Vergangenheit angehören. Aber wenn wir zusammenhalten, also solidarischer handeln, und bereit sind, Egoismen zu überwinden, dürfte es uns gelingen, uns besser, sprich gestärkt für die Zukunft aufzustellen.
Mit dieser Zuversicht wünsche ich Ihnen allen ein friedvolles Weihnachtsfest und einige glückliche, ruhige Tage im Kreise Ihrer Liebsten.