Léon Braconnier
Der Herbst stiehlt das Grün …
Vor mir lag eine Illustrierte, zufällig (oder nicht?) aufgeschlagen die Bücherseite. Als Einführung zu mehreren Buchbesprechungen standen in einem farbig unterlegten Kreis folgende Sätze:
„Der Herbst stiehlt das Grün und schenkt lange Schatten. Sie tragen dazu bei, dass die Zeit reift und bereit ist für lange Lese-Abende“. (Atrium, Nr 6, November/Dezember 2013).
Da fiel mir ein, wie viele ausländische Sängerinnen bei den gregorianischen Tagen die Schönheit, die Verträumtheit der herbstlichen Ardennenwälder bewundert hatten.
„c’est très luxuriant…“
„wie märchenhaft…“
„man glaubt sich in einer anderen Welt…“
„welche Ruhe, welcher Frieden…“
Der Herbst stiehlt das Grün … so hatte ich das noch nie gesehen, aber ist es nicht tatsächlich so? Wieso verschwindet das Grün, wenn September und Oktober den Kalender übernehmen? Ist der Herbst tatsächlich ein Räuber? Die Antwort erfährt man bei www.wissen.de:
„Warum werden die Blätter der Bäume im Herbst bunt? Wie reagieren Laubbäume auf weniger Licht?
Die vielen feinen Wurzeln eines Baumes nehmen aus dem Boden Wasser und Mineralstoffe auf, die dann in Adern zu den Blättern geleitet werden. Durch winzige Öffnungen an der Oberfläche gelangt Luft in die Blätter. Wenn das Sonnenlicht auf die Blätter scheint, entwickelt sich in ihnen mit Hilfe des Blattgrüns (Chlorophyll) aus dem Kohlendioxid der Luft und aus Wasser Sauerstoff und Traubenzucker. Einen Teil der so produzierten Nahrung verbraucht der Baum sofort zum Wachsen, einen anderen Teil speichert er für den Winter. Im Herbst werden die Tage kürzer und weniger Licht fällt auf die Blätter. Auch die Temperaturen sinken. Diese Vorzeichen des Winters können Bäume wahrnehmen. Wie viele andere Lebewesen bereiten sie sich nun auf den Winter vor. Zunächst ziehen sie alle wertvollen Stoffe aus den Blättern zurück. Dazu gehört auch das Blattgrün. Übrig bleiben nur Stoffe, die die Bäume nicht zum Leben benötigen. Diese bewirken durch ihre gelbe, rote oder braune Farbe das bunte Aussehen der Blätter. Die Stoffe waren auch schon im Frühjahr und im Sommer in den Blättern. Doch da wurden sie von dem kräftigen Grün des Chlorophylls überdeckt.
Die einzelnen Baumarten unterscheiden sich nicht nur im Aussehen ihres Stammes und der Rinde sowie in der Form ihrer Blätter. Sie nehmen im Herbst auch verschiedene Farben an. Die Birke bekommt beispielsweise gelbe Blätter, Buchenblätter werden orange bis rotbraun und Eichenblätter werden braun.“
Ein Wunder der Natur, eines unter Abertausenden! Die Sonne steht nun tiefer, lange Schatten legen sich vor unsere Augen. Wir alle spüren den Hauch des Winters, die Zeit des Kerzenlichts steht an.
Und vielleicht lange Lese-Abende. Und ich frage mich, rein prozentual gesehen, wie viele Mitmenschen regelmäßig solche Lese-Stunden genießen. Dass es keine Mehrheit ist, scheint klar. Das Berufsleben, die Fahrtzeiten, die Staus haben einen großen Teil unserer 24 Tag- und Nachtstunden erobert. Und wenn im Titel dieser bescheidenen Überlegungen das Verb „stehlen“ steht, und wie viele Stunden werden uns von Handy, von Internet, vom Fernsehen gestohlen? In nicht wenigen Familien läuft das TV-Gerät fast rund um die Uhr. Während den Mahlzeiten inklusive. Dabei täte der Druck auf die „Power-Off -Taste“ manchmal so gut. Zeit fürs Gespräch, Momente zum Nachdenken.
Doch es gibt Ermutigendes vom Abenteuer Lesen zu berichten. Erstaunlich viele Kinder und Jugendliche sind Leseratten. Unsere Bibliothek in Ulflingen erfreut sich regen Zuspruchs, an die 6000 Bücher wurden 2013 ausgeliehen. In den Schatzkammern der Buchhandlungen ist das Angebot an Lesenswertem riesig, Stunden kann man dort verbringen, immer wieder fasziniert vom Blättern in Kunst- und Sachbüchern, immer wieder angezogen vom Lesestoff, vom Krimi bis zum klassischen Roman! Kein E-Book erreicht auch nur annährend die Sinnlichkeit gedruckter Seiten, den Duft des Papiers. Erinnerungen aus den Kindertagen schwingen mit, die Märchen der Gebrüder Grimm, von Hans-Christian Andersen, die wunderbare Welt der Feen, Riesen, Zwerge, Hexen und tapferen Schneidern … mit Tintin und seinem treuen Milou lernten wir die Welt kennen, später lösten wir mit den Figuren der Enid Blyton die ersten Kriminalfälle, wir begleiteten Winnetou und Old Shatterhand auf ihren Abenteuern durch die endlose Prärie. Im Sprachunterricht dann das Entdecken der großen Klassiker, von Victor Hugo über Goethe bis zu Heinrich Böll, Camus und Siegfried Lenz.
Lesen, der Katalysator par excellence für Geist und Phantasie.
Die Zeit für lange Lese-Abende steht nun an. Zünde einige Kerzen an, mit einem Glas Wein oder einem heißen Tee, vielleicht einer guten CD im Hintergrund, dann steht der Gemütlichkeit nichts im Weg!
In diesem Sinne wünscht der Vorstand des Cliärrwer Kanton allen Lesern und Leserinnen des Cliärrwer Kanton – auch der ist überaus lesenswert – ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr! Möge 2015 Ihnen allen eine gute Gesundheit bescheren und möglichst viele glückliche Momente!