René Maertz

Wichtige Schritte

AUF DEM LANGEN, HINDERNISREICHEN PFAD DER WIEDERBELEBUNG DES NORDÖSLINGS

Aus der Sicht mancher Bewohner der Nordspitze sind die Ergebnisse der Kammerwahlen vom vergangenen Juni – einmal abgesehen von den spezifisch parteipolitischen Interessen – durchaus befriedigend. Zwei junge Kandidaten aus dieser Gegend sind ins Parlament gewählt worden: Frl. Marie-Josée Jacobs und Dr. Georges Wohlfart. Ein dritter Kandidat, Michel Wehrhausen, Bürgermeister von Clerf, hat den Einzug ins Parlament nur knapp verfehlt.

Obwohl der Erfolg meist unverhältnismäßig viele Väter ans Licht bringt, möchte die Vereinigung « de Cliärrwer Kanton » sich nachträglich den Gratulanten anschließen und die beiden Neodeputierten einfach und ehrlich zu ihrer Wahl beglückwünschen. Möge das vor den Wahlen gezeigte politische Einfühlungsvermögen, ihre Intelligenz und ihr Dynamismus auch im harten politisch-parlamentarischen Alltag jene Resultate für ihre Mitbürger und speziell für die Öslinger bringen, die weitgehend erwartet werden. Ihre Aussagen in der Abgeordnetenkammer und in den Rundfunksendungen zum Nordösling-Fragenkomplex waren so eindeutig und so eindringlich, daß man kaum Zweifel an ihrer künftigen Einsatzbereitschaft hegen darf.

Doch auf dem Gebiet der Wiederbelebung wird kaum etwas verschenkt, das wissen die beiden Abgeordneten von berufswegen. Falls nicht alles täuscht, werden die nächsten Jahre wohl entscheidend für die Zukunft der Nordspitze sein.

Während der Sommermonate sind weitere, als sehr positiv zu beurteilende Momente deutlich geworden:

Einerseits stellen wir mit Genugtuung fest, daß die Regierungserklärung vom 23. Juli 1984 (S. 47, Abs. 4) im Kapitel « Landesplanung » einige Prioritäten aufstellt, zu denen auch die Raumplanung und die ökonomische Planifikation im Kanton Clerf gehören (. . . « les priorités ci-après sont retenues: … – seront poursuivis les travaux d’élaboration de plans d’aménagement et de développement économique pour le sud du pays et le canton de Clervaux. »

Wir nehmen mit Dank davon Kenntnis. Doch wäre es wohl irreführend, nicht von vornherein den gravierenden Unterschied zwischen den beiden oben angesprochenen Regionen zu beachten. Dort ein, im Rahmen unseres Ländchens, mächtiges menschliches und ökonomisches Potential, hier eine seit alters von der Landwirtschaft bestimmte Gegend, fast ohne industrielle Infrastruktur. Es wird somit einer im Verhältnis größeren Anstrengung seitens aller Beteiligten bedürfen, um unsere Gegend auf einen ernsthaften Regenerierungskurs zu bringen.

Wir sind geneigt, aus der Regierungserklärung den festen politischen Willen herauszulesen, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen ernsthaft in Angriff zu nehmen. Ohne diesen betonten politischen Willen, der über das rein rechnerisch-merkantile Moment hinausgeht, wird sich kaum etwas an der Krisensituation ändern.

Andererseits gibt das Schreiben (das wir an anderer Stelle in dieser Nummer veröffentlichen) von Staatsminister Jacques Santer in seiner Eigenschaft als Minister für Landesplanung Anlaß zu Genugtuung. Betrachtet man diesen Brief im Zusammenhang mit der Regierungserklärung, so scheint sich die Absicht der Regierung, der Nordregion intensiv und schnell zu helfen ihr sozio-ökonomisches Gleichgewicht wiederherzustellen, zu konkretisieren. Das ist Honig für eine wunde Kehle. Doch dieser Honig verbirgt noch viel Pfeffer.

In der Tat, bei der Planung wie auch bei der Umsetzung der Pläne in die Realität wird es sicherlich zu einem sehr kontrovers geführten Meinungsaustausch kommen. Zu hoffen ist, daß diese Diskussion mit dem erforderlichen Augenmaß, dem Zusammenhalt aller Beteiligten und jenem politischen Taktgefühl geführt wird, das nicht an den allzu bekannten Spruch erinnert: willst du was erreichen oder kommst du aus dem Ösling? . Weiterhin, die Überwindung vordergründig gegensätzlicher Interessen, seien sie landespolitischer, regionalpolitischer, lokaler oder gar persönlicher Natur.

Jedes Land hat wohl sein Nordösling. In manchen Fällen wird die Verödung eines Landesteils als Lösung angesehen. In ändern Ländern werden intensive Förderungsmaßnahmen geplant. Bleibt auch bei uns zu hoffen, daß die Hilfsbedürftigen den Helfern nicht allzuviele Steine in den Weg legen.

Es drängt sich in dieser Lage auf, unsere, seit Jahren geäußerte Ansicht betreffs der geeigneten Wiederbelebungsmaßnahmen für das Nordösling, bündig herausstellen:
1. – Erarbeitung eines ausgewogenen Gesamtkonzepts mit räumlicher und zeitlicher Aufgliederung des Maßnahmenkatalogs.
2. – Erstellung von wesentlichen Prioritäten:
– Anlegen attraktiver Industriezonen und Schaffung von Arbeitsplätzen,
– Erschließung preiswerten Baulandes und Förderung des sozialen Wohnungsbaus,
– Wiedereinpflanzung der Verwaltungsbüros,
3. – Förderung des Tourismus, der Landwirtschaft, des Handwerks und all jener Aktivitäten und Dienstleistungen, die in der « Gemeinsamen politischen Erklärung der drei im Norden Luxemburgs vertretenen Parteien » angeführt wurden,
4. – Schaffung eines Unterbaues für kulturelle und sportliche Betätigung, der sowohl der einheimischen Bevölkerung als auch den Touristen zur Verfügung stehen sollte.

Es ist offenkundig, daß nunmehr einige weitere Voraussetzungen für einen Versuch der Gegend wieder mehr Leben und Lebensmut zu vermitteln, geschaffen worden sind. Doch das Wichtigste liegt noch vor uns, soll die Zukunft nicht nur « heute » heißen.

Fünf Jahre lang hat der Verein « de Cliärrwer Kanton » konsequent versucht, die soziale und ökonomische Lage der Nordspitze zu beschreiben, zu analysieren und Vorschläge zu machen. Wahrheitsgetreu und tunlichst ausgewogen – manchmal auch unbequem. Unzumutbar waren unsere Aussagen aber wohl nie.

Da nunmehr das « Syndicat intercommunal à vocations multiples » Gestalt annimmt, wäre unsere Vereinigung sehr zufrieden, wenn die Verantwortlichen des Syndikats die eher regionalpolitische Aussage in der Zeitschrift « de Cliärrwer Kanton » übernähmen. Wir stellen gerne den jeweils notwendigen Raum dafür zur Verfügung.