René Maertz

Diese verdammte Hoffnung

Wir warten, wir erwarten, wir fürchten und hoffen.

Anfang März ist die für das vergangene Jahresende von der Regierung vorgesehene Bekanntgabe der Studie über die Maßnahmen zur Verbesserung des sozio-ökonomischen Gleichgewichtes und einer gezielten Wiederbelebung des Nordkantons noch immer nicht erfolgt. Das stimmt zumindest nachdenklich.

Gewiß tragen die aktuellen Projekte im Straßenbau zur Verbesserung der Infrastruktur bei. Gewiß ist die Gesetzesvorlage über die Errichtung des « Foyer Eisléker Heem » einstimmig von den Deputierten votiert worden. Gewiß haben die meisten Norddeputierten des öfteren auf die eindeutig kritische Lage des Nordkantons mehr oder weniger deutlich hingewiesen. Da war die Motion des Deputierten Charles Goerens im Namen der Majoritätsparteien. Da war die Interpellation des Deputierten Jean Gremling bezüglich des oben erwähnten Wiederbelebungsplanes für unsere Region…

Gewiß ist die Heilung des Krebsgeschwürs « Stahlkrise » im Süden des Landes – ökonomisch und politisch – auf Landesebene gravierender und dringlicher als die Probleme des Nordöslings.

Übrigens sind ja auch die betroffenen Öslinger weit weniger zahlreich, weit weniger laut und weit weniger lobbystark.

Und trotzdem: Das Hinauszögern der Antwort auf unsere Vorhaltungen sowie verschiedene rezente Andeutungen und Entscheidungen können uns nicht gefallen.

Die Tatsache, daß im Laufe der vergangenen Jahre landweit tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen wurden während das Nordösling bei der Verteilung der Arbeitsplätze leer ausging, ist nicht zu leugnen. Je schwächer einer ist, desto mehr Teufel hat er wohl. So sollte uns auch ein am 14. Januar 1983 im Letzeburger Land publizierter Artikel zu denken geben. In dem mit m.h. unterzeichneten Papier läßt folgender Auszug aufhorchen: « Der Hof (gemeint ist der Europäische Rechnungshof in Brüssel) findet es weiterhin komisch, daß die Regierung, die sich ebenfalls vorgenommen hatte, die geographische Diversifizierung der industriellen Ansiedlungen voranzutreiben, es nicht der Mühe wert fand, dem Fonds auch nur ein einziges derartiges Vorhaben zur Finanzierung vorzulegen. Der Norden scheint endgültig abgeschrieben und mit der Landesplanung ist es ohnehin nicht weit her. Der « Cliärrwer Kanton » dürfte sich in seinen schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen. »

Hat es mal Wundpflästercnen für das Ösling gegeben, dann waren sie wie Wundpflästerchen auf das bekannte Holzbein. Und diese kamen eher dem Verkäufer zugute als dem Patienten. Vielleicht haben sie sogar die Urteilsfähigkeit des Patienten überstrapaziert und damit jene Problematik heraufbeschworen, der wir uns heute gegenübergestellt sehen.

Es ist an der Zeit, endlich einmal eine solide Gesamtplanung zu erstellen, ein Gesamtkonzept, das vor allem vom echten und redlichen Willen zur Anerkennung des Notstandes getragen wird.

In diesem Zusammenhang sollte man keine allzu raschen, unbedeutenden und zwielichtigen Erfolge wünschen und sich keineswegs durch minimale und allzu vergängliche Vorteile ködern und einlullen lassen.

Wir halten immer noch die Bevölkerung unseres Landstrichs für reif genug, um den Dynamismus einer Idee, der Idee der Revitalisierung unserer Heimat, voll zu unterstützen.

Wir wagen – unverbesserlich vielleicht – zu hoffen. So haben wir dieser Tage neuerdings einen Brief an den Premierminister Werner gerichtet, um an die Dringlichkeit der zugesagten Studie zu erinnern. Wir wagen zu hoffen, daß dieses Papier nicht – wie von vielen befürchtet – nur eine bloß bürokratische Festschreibung der Ausweglosigkeit unserer Lage beinhaltet. Wie dem auch sei, der « Cliärrwer Kanton » wird sich auch in Zukunft konsequent und ausdauernd für seine Forderungen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet einsetzen.

Kurzsichtiger Eigennutz, Sorglosigkeit und Versäumnisse aller Art haben wohl ihren Teil zur Entstehung der gegenwärtigen Lage beigetragen. Doch möchten wir uns nicht dazu hinreißen lassen – wie das gelegentlich von uns verlangt wird – die Verantwortlichen festzulegen. Zukunftsträchtige Ideen scheinen uns wesentlicher. « No Jobs, no people » wird es immer wieder bei uns heißen.

So ist es auch aus der Perspektive der Verbesserung der Infrastruktur erstaunlich, auf welche Schwierigkeiten so manches junge Paar stößt, wenn es im eigenen Dorf nach einem irgendwie preiswerten Baugelände für ein Eigenheim sucht. Erschwingliches Baugelände wäre doch einer der wenigen materiellen Vorteile, die unsere Gemeinden bieten könnten. Bei gleichen Bauplatzpreisen werden nämlich die oben erwähnten Haushalte ihre Wohnung näher am Arbeitsplatz im Zentrum und Süden errichten. Und unsere Dörfer werden leerer und leerer.

Wir sind der Meinung, daß die vorsorgliche Erschließung von Baugelände auf lange Sicht eine der gewinnintensivsten Investitionen wäre.

Wie steht es übrigens bei uns mit dem sozialen Wohnungsbau? Und wie mit der förderungswürdigen Renovierung von Altbauten?

Zum andern fragen wir uns, ob es den Norddeputierten, die zwar auf der Kammertribüne für unsere Anliegen eintreten, angesichts der bisherigen Erfolglosigkeit ihrer und unserer Bemühungen, nicht möglich wäre, eine – vielleicht interparteiliche – Initiativgruppe zu bilden, die kontinuierlicher und wirksamer auf die Folgen der kritischen Lage unserer Region aufmerksam zu machen vermöchte.

Wir wagen zu hoffen. Hoffnungslosigkeit ist todbringend. Soll das Nordösling leben, so sind wir zur Hoffnung verdammt, wie schwach diese auch sein mag. Diese verdammte Hoffnung…