Romain Wehrhausen

Generalversammlung « De Cliärrwer Kanton »

Vor interessierter Zuhörerschaft – inmitten welcher wir, nebst den Bürgermeistern Bernard Linckels, Mathias Schon, J.-B. Stempel und Michel Wehrhausen, eine Vielzahl von Schöffen, Gemeinderäten und Vereinsmatadoren bemerkten – hieß im Festsaal des Clerfer Schlosses René Maertz, Mitbegründer und Vorsitzender des « Cliärrwer Kanton », die Anwesenden aufs herzlichste willkommen. Einleitend erklärte der Redner, seiner Vereinigung gehe es insbesondere darum, auf kulturellem und sozialem Plan gesellschaftlich relevanten Begebenheiten ein Augenmerk zu schenken, wobei, wie könnte es auch anders sein, die Lebensqualität des Bürgers, kurzum die Entwicklungen an der luxemburgischen Nordspitze vordergründig zu belichten wären.

In voller Unabhängigkeit der Wahrheit das Wort zu reden, die eigene Glaubwürdigkeit zu erhalten und nicht zum Spielball Dritter abzugleiten, diese Bemühungen habe in der Vergangenheit der « Cliärrwer Kanton » ausnahmslos mit Erfolg zu gestalten gewußt. So hätte sich geradezu von selbst die Notwendigkeit ergeben, nicht überall und an allen Fronten präsent zu sein. « Wir sind kein Sprungbrett für die Politik, wir ergreifen nicht Partei in der Politik, wir werden von ihr um unsere Interventionen herausgefordert, unsere Wünsche im Interesse des Landesnordens sind nicht irgendwelche, sie sind vernünftig und erfüllbar », so tat René Maertz in seiner Ansprache kund.

Nach einem kurzem Ausschweif über die positiven Aktivitäten seines Vereins « fir d’kulturellt Liäwwen », wie zum Beispiel die vielbeachtete und unter Federführung von Alex Jacoby publizierte Zeitschrift, die veranstalteten Konferenzen und Ausstellungen, bedauerte der Vorsitzende, daß die historischen Nachforschungen doch etwas vernachlässigt wurden. Gerade diese Arbeit hätte es erlaubt, auf die Wurzeln der Einwohnerschaft, ihres Schaffens, ihrer Bräuche und ihrer Mentalität zurückzugehen. Schade finde er es außerdem, daß das « Syndicat intercommunal à vocation multiple », bei dessen Entstehung die Vereinigung « De Cliärrwer Kanton » Pate stand, durch den Rücktritt der Gemeinde Hosingen vorerst noch seiner Funktionsfähigkeit entbehre.

Die geplante Errichtung einer Sporthalle im Kantonalhauptort ansprechend, solidarisierte sich René Maertz einerseits mit dem zu jener Thematik in der Vereinszeitung Niedergeschriebenen, signalisierte andererseits aber auch seine Bereitschaft, Mißverständnisse auszuräumen oder zu vermeiden. In der Tat müsse, gemäß seiner Auffassung, die Diskussion um ein derartiges Projekt aus einem breitgefächerten Blickfeld angegangen werden.

Keine Krümelchen mehr hie und da, sondern ein richtig großes Stück Brot auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts, nur so könne zukünftig die Devise bei staatlichen Investitionen im Clerfer Kanton lauten. Sollte der Nordregion wirklich aus ihrer beängstigenden Notlage geholfen werden, dann gelte es in erster Linie, nach globalen Lösungen zu trachten und Prioritäten zu setzen, die alles Wichtige zu umfassen hätten.

Der Präsident wiederholte in diesem Kontext die Hauptforderung seiner Vereinigung betreffend den dem Kanton Clerf zu gewährleistenden Sukkurs:

  • das echte Bemühen, im industriellen Bereich für eine adäquate Arbeitsplatzbeschaffung zu sorgen;
  • die Schaffung sozialer Wohnungen, um der Abwanderung der Nordbevölkerung Einhalt zu gebieten;
  • daneben die Miteinbeziehung der Sparten Tourismus, Ackerbau, medizinische Versorgung, schulische Ausbildung, usw.

Die Berechtigung eines solchen Wunschkatalogs fuße auf der moralischen Verpflichtung, der Öslinger Jugend dieselben Chancen zu vermitteln, wie sie die Alterskollegen aus anderen Landesteilen schon längst besäßen. Resümeeartig zitierte René Maertz folgende Fakten, sozusagen ein Memorandum bei der Einschätzung der bereits dramatischen Defizite des Clerfer Kantons:

  • die alarmierende Bevölkerungsstruktur;
  • die Tatsache, daß der Kanton Clerf eine Einheit für sich darstellt und nicht in sogenannte Nationalzonen eingebunden werden kann;
  • die Unerläßlichkeit eines Gesamtplans zwecks Koordinierung der Maßnahmen und Steigerung der Attraktivität der Nordspitze für potentielle Investoren;
  • der voranzutreibende Ausbau der Infrastruktur zur Kreierung einer industriellen Basis;
  • die Notwendigkeit, den Tourismus, den Ackerbau, die gesellschaftlichen Aktivitäten, usw. noch stärker zu fördern;
  • die unabdingbare Erhaltung der noch bestehenden Staatsverwaltungen respektive die wünschenswerte Wiederinstallierung der in der Vergangenheit abgezogenen Amtsstellen;
  • der zu bescheidene Prozentsatz der Beihilfen, welcher für den Kanton Clerf im wirtschaftlichen Rahmengesetzprojekt vorgesehen ist.

Weshalb ignoriert die Regierung die gewählten Gemeindevertreter des Clerfer Kantons?

Letztere Frage vermochte der « Cliärrwer Kanton »-Vorsitzende nicht mit Bestimmtheit zu beantworten, als er die unter dem Impuls der Landesplanungs-Abteilung des Staatsministeriums gebildete « Gemischte Studienkommission » für die Belange der Nordregion erwähnte. Daß seine Vereinigung – und nicht die demokratisch gewählten Lokalautoritäten, denen er Respekt zolle und für eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zu danken habe – drei Delegierte in dieses Gremium entsenden dürfe, erfülle ihn, René Maertz, doch mit einem gewissen Erstaunen und stelle für die Gesellschaft « De Cliärrwer Kanton » eine bittersüße Einladung dar.

Nachdem der verdienstvolle Präsident sein tiefschürfendes Referat mit einer rhetorischen Wendung beschlossen hatte, die eine Aufgabe seines Vorsitzendenmandats zumindest erahnen ließ, legte Sekretär Robert Schmit einen detaillierten Tätigkeitsbericht des vergangenen Jahres vor. Behalten wir zurück: das Rundtischgespräch mit 9 Regierungs- und den lokalen Gemeindevertretern am 16. März 1984 im Clerfer Schloß, die Kontaktaufnahme zu den drei größten Parteien im Hinblick auf die Erstellung der Wahlprogramme für die Legislativwahlen, die Unterstützung einer Erweiterung des L.T.N. Wiltz bis hin zu den Abschlußklassen im Sekundarunterricht, der Ausbau der vereinseigenen Dokumentation, die Ausstellungen der Maler Paul Röttgers und Armand Glatz sowie die periodische Veröffentlichung der « Cliärrwer Kanton »-Zeitschrift.

Schatzmeister Aly Bertemes wußte von einer gesunden Finanzlage der Vereinigung zu berichten, woraufhin ihm, nach Vorschlag von Kassenrevisor Paul Zeimes, Entlastung für die exakt verrichtete Arbeit erteilt wurde. Derweil die Generalversammlung den Jahresbeitrag auf 350 Franken beließ, erfuhr der Vorstand, nach der Demission des bisherigen Vize-Präsidenten Ed. Herman, durch die Neumitglieder Margot Wagner und Jean Meyers eine Blutauffrischung. Anknüpfend an die Vorführung des großartig aufgemachten Films « Natur- und Vulleschutz am Éisleck » von Francis Faber und Norbert Paler, hob der Clerfer Bürgermeister Michel Wehrhausen, bei Gelegenheit des von der Gemeindeverwaltung angebotenen Ehrenweins, noch einmal das gedeihliche Schaffen der Gesellschaft « De Cliärrwer Kanton » sowie den unermüdlichen Einsatz ihres Hauptinitiators René Maertz belobigend hervor.

Lëtzebuerger Journal 30.4.85