Léon Braconnier

Syndikat der Hoffnung

Wenn von spektakulären Erfolgen auch Ende 1986 nicht zu berichten ist, so hat es doch in den vergangenen Monaten eine Reihe von Kontakten gegeben, welche, zu einer Luke der Hoffnung vereint, vielleicht einen Schimmer der Zuversicht in den dunklen Ardennerwald passieren lassen. Allein, wir Nordöslinger sind vorsichtig geworden, allzu flüchtig war oft das Destillat von Versprechen, welche zusammen mit guten Ratschlägen, Ermunterungen und Sympathieerklärungen in all den Jahren niemals zur Mangelware geworden sind. Auch Erläuterungen, weshalb die Lage gar so hoffnungslos erscheint, ja fast als Ausdruck von Gottes Willen, setzt man in die Welt und läßt als Wind den Atem der Fatalität über die Öslinger Koppen wehen.

Dennoch, am vergangenen 8. Oktober hatte Staatsminister Jacques Santer Vertretern unserer Vereinigung und des Syndicat Intercommunal pour la Promotion du Canton de Clervaux eine Unterredung gewährt. Während dem fast 2 Stunden langen Gespräch zeigte der Regierungschef großes Interesse an der Lage im Kanton Clerf. Jacques Santer wählte die Konklusionen der « Commission Mixte » als Ausgangspunkt für die Diskussion, und versprach, die konkreten Vorschläge von den einzelnen Ministerien zeitlich umrahmen zu lassen und zu einem Gesamtpaket zusammenzuschnüren. Absolute Priorität räumte der Staatsminister dem Schaffen von Arbeitsplätzen ein, aber auch die Erhaltung und Modernisierung der CFL-Nordstrecke, nebst Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft wurden versprochen. Das Angebot, durch regelmäßige Kontakte, etwa alljährlich, die Evolution der Nordspitze aufmerksam zu verfolgen, nahmen die Vertreter aus dem Kanton Clerf dankbar an …

Am 15. Oktober versicherte dann Staatssekretär Johny Lahure, bei Gelegenheit einer von der LSAP-Norden in Clerf organisierten Table Ronde, im Clerfer Kanton würden 2 « regionale » Industriezonen binnen Jahresfrist eingerichtet werden, welche die Vorteile der nationalen und kommunalen Industriezonen in sich vereinigen würden, nämlich großzügige Hilfe des Staates bei gleichzeitiger Verwaltung durch das Gemeindesyndikat. Herr Lahure beteuerte den Anwesenden seine Entschlossenheit, für Bewegung in der festgefahrenen Nordregion zu sorgen. Die Realisierung dieses Vorsatzes wäre ganz sicher ein Schritt in Richtung bessere Zeiten.

Auffallenderweise wurde in letzter Zeit desöfteren darauf hingewiesen, daß es Probleme nicht nur im Kanton Clerf gäbe, sondern auch im übrigen Land, beispielsweise die Tendenz zur Bevölkerungsverdichtung in der Umgebung der Hauptstadt, zum Nachteil verschiedener Südgemeinden. Nur, die Problematik an der Nordspitze unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von anderen: durch ihre Spezifität und ihre Gravität. Dazu einige Feststellungen und Fragen:

  • Die Vergreisung der Bevölkerung im Großherzogtum Luxemburg ist auf Landesebene ohne Zweifel eine schwere Hypothek für die Zukunft. Die schlechteste Note auf diesem Gebiet kommt dem Kanton Clerf zu, und unsere Befürchtungen, somit mittelfristig nicht gerade die beste Ausgangsposition zu besitzen, sollte man fairerweise nicht als Schwarzmalerei vom Tisch fegen.
  • Keine andere Gegend unseres Landes ist so weit von den Arbeits- und Entscheidungszentren entfernt, daraus ergibt sich u.a. eine sehr hohe Zahl von Pendlern. Über 1200 Menschen verlassen jeden Tag den Kanton Clerf, viele in Richtung Zentrum. An welcher Stelle der Prioritätsliste befindet sich die Nordstraße, die meist befahrene Strecke unseres Landes?
  • Immer wieder liest man in Zeitungsberichten von neuen Industriezonen, neuen Arbeitsplätzen, Prospektionsreisen. In diesem Zusammenhang drängt sich letztendlich eine Frage auf: Wievielen Investissoren (bitte konkret in Zahlen) wurde schon unsere Gegend vorgeschlagen?
  • Die Landesplanung hat weiterhin die Landwirtschaft und den Tourismus als Schwerpunkte für die Entwicklung der Nordspitze vorgesehen.
  • Die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten nimmt von Jahr zu Jahr ab. Ob dies mittel- und langfristig einen Pfeiler im Zukunftsbau darstellen kann? Ob die Maßnahmen zur Stabilisierung der Lage ausreichen?
  • Auch Tourismus will geplant sein. Ist ein qualitativ hochwertiges Angebot, wie kürzlich von ONT-Direktor Georges Hausemer erwogen, möglich, ohne auf dem glitschigen Parkett des Massentourismus auszurutschen? Und wieviele ganzjährige Arbeitsplätze schafft der Tourismus?

Ja, es gibt noch einen dritten gewaltigen Unterschied zwischen der Problematik im Kanton Clerf und jener anderer Gegenden: die Qualität und Quantität der Maßnahmen und Mittel, welche die Verantwortlichen bisher zur Lösung ergriffen und bereitgestellt haben. Beim Stellen der Weichen in Richtung Zukunft weisen wohl die wenigsten ins Tal der Clerf… Oder? Warten wir’s ab!

Im diesem Monat hat unsere Vereinigung die Bio-Bibliographie de la Cité et de la Commune de Clervaux veröffentlicht und wir möchten einen Aufruf an alle unsere Leser richten, sich die Gelegenheit zur Anschaffung dieses Werkes von Professor Jos. Goedert nicht entgehen zu lassen. Es ist nicht übertrieben, von einem seltenen Privileg zu reden, welches der Autor mit seiner unbezahlbaren Arbeit unserer Gegend zur Verfügung stellt. Trotz wissenschaftlicher Strenge und äußerster Präzision liest sich das Buch wie eine spannende Erzählung. Es ist dank dem Sammeln, Analysieren, Gruppieren und Kommentieren von allen gedruckten Quellen die Geschichte eines alten Städtchens und seiner Umgebung mit seinen Höhenflügen und Abstürzen, seinem mal pulsierenden, mal verhaltenen Leben, mit allen jenen wichtigen oder weniger bedeutenden Etappen und Stationen, welche schlußendlich dem Ort und der Gemeinde Clerf den Weg ins 21. Jahrhundert bereitet haben. Was hier auf 130 zum Teil illustrierten Seiten geboten wird, ist an Dichte, an Aussagekraft, an Vollständigkeit nicht zu überbieten. Man stellt sich die Frage, ob und wie der Kanton Clerf jemals Professor Jos. Goedert die gebührende Anerkennung zollen kann.

Dann möchten wir die Aufmerksamkeit unserer Leser auf unseren Fotowettbewerb lenken. Leider sind kulturelle Aktivitäten meistens mit finanziellen Ausgaben verbunden, und obwohl alle Mitarbeiter ihre Tätigkeit unentgeltlich verrichten, plagt sich unsere Vereinigung nur mühsam von Jahr zu Jahr durch den steigenden Kostendschungel. Die Mitgliederbeiträge und Subsidien reichen nicht zur Deckung der laufenden Kosten, von denen die Herausgabe unserer Zeitung naturgemäß den Löwenanteil verschlingt. Letztes Jahr haben weit über 200 unserer 1500 Mitglieder als Beitrag 1000 Franken und mehr überwiesen, und der Vorstand des Cliärrwer Kanton möchte für diese edle Geste danken. Einen Aufruf möchten wir aber auch an die Gemeinden und den Staat richten. Die uns bewilligten Hilfen mögen neben anderswo vergebenen Summen als verschwindend gering angesehen werden, ja fast armselig.

Die Frage ist letztendlich, was beispielsweise die Veröffentlichung unseres « Bulletin » den Verantwortlichen wert ist. Bei Gelegenheit einer Unterredung des Vorstandes unserer Verreinigung mit dem Syndicat Intercommunal pour la Promotion du Canton de Clervaux, betonten alle anwesenden Gemeindeväter einmütig, wie wichtig auch unser gesellschaftliches Engagement für die Nordregion sei. Die Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit, welche der Cliärrwer Kanton bis hin zur Regierung besitzt, beruht allerdings zum großen Teil auf der kulturellen Basis und es ist mehr als tragisch, wenn Initiativen zur Belebung der geistig-kulturellen Szene an Geldmangel scheitern.

Zum Schluß möchten wir den Wunsch ausdrücken, auf daß das Syndicat Intercommunal ein Syndikat der Hoffnung werde. Ein Syndikat der Hoffnung speziell für die jugen Leute. Durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, unablässige Intervention bei den Verantwortlichen des Landes und effiziente Beratung an Ort und Stelle sollte ein geistiges Klima geschaffen werden, das der Jugend ein Gefühl der Zuversicht gibt, der Partnerschaft beim Lösen der Probleme. Es wird auch weiterhin dem Nordösling nichts geschenkt werden. Eigendynamik, Innovation und Ausdauer sind wohl einige Koordinate für die Achse zur Zukunft.

De Cliärrwer Kanton hofft weiterhin auf die Treue seiner Mitglieder zählen zu können, welche nicht nur eine Stärke unserer Vereinigung darstellt, sondern auch eine Ermutigung und Anerkennung für alle Mitarbeiter. Ich bin sicher, das gesteckte Ziel ist uns allen die Mühe wert.

Und noch ein persönliches Wort sei mir an dieser Stelle und in diesem Augenblick gestattet, jenes von dem Glück, im trotzalledem so schönen Kanton Clerf wohnen zu dürfen.