Léon Braconnier
Brücken
Stolze Städte gibt es, die tausend Brücken ihr eigen nennen. Städte, deren Wahrzeichen eine Brücke ist. San Francisco und die kühne Golden Gate Bridge. London und die ehrwürdige Tower Bridge. Auch unsere Haupstadt kann mit imposanten Bauwerken auftrumpfen, mit dem Viaduc (« al Bréck »), dem Pont Adolphe (« nei Bréck ») und dem Pont Grande-Duchesse Charlotte (« roud Bréck »). Brücken prägen die Landschaften der Welt.
Wozu aber eine Sondernummer über die Brücken des Cliärrwer Kantons? Über Öslinger Brücken? Brückenwunder, Brückenrekorde, architektonische Glanzleistungen: wohl eher Fehlanzeige. Dennoch, weit mehr Brücken als angenommen fanden wir bei unseren Recherchen. Vorstandsmitglied Francis Breyer hat wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet, nahm über 1000 Fotos. Eisenbahnbrücken, Strassenbrücken, Brücken für Fussgänger und Fahrräder, Stege. Mit dem Objektiv betrachtet ist so manche Brücke in unserer Region vielleicht kein Meisterwerk des Bauwesens. Oft heiligt der Zweck die Mittel, und der Zweck ist nun einmal die Verbindung. Aber dann findet man sie doch, schöne Brücken, mal alt, mal neu. Fotos, Skizzen, Gemälde erzählen von vielen Brücken. Manche gibt es nur mehr in der Erinnerung, oder in den Geschichten der Grosseltern. Heimliche Brücken haben wir entdeckt, Brücken auf denen nachts die Elfen tanzen, und Brücken, auf denen sich bei Vollmond der Märchenprinz mit seiner Auserwählten trifft.
Auch diese Sondernummer des Cliärrwer Kantons fügt sich nahtlos in die kostbare Reihe der Dokumentationen über die Nordspitze des Landes. Im Laufe der Jahre, in Hunderten von Fotos und Tausenden von Zeilen ensteht so ein präzises Bild des ländlichen Raumes, dessen Image sich in den letzten 20 Jahren sehr gewandelt hat. Der belächelte Hinterwald hat sich gemausert.
Was vielfach, immer wieder auffällt, ist die Stimmigkeit der Öslinger Landschaft, jene stille, erhabene, ergreifende Natur, die so viele Menschen fasziniert. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, Brücke und Landschaft seien ewig da gewesen, und manchmal schaut es gar so aus, als wäre die Landschaft um die Brücke herum gebaut worden.
Brücken sind eng mit der Geschichte der Menschheit verbunden. Vom Holzsteg bis zur Vasco da Gama Brücke in Lissabon, immer zog es die Menschen auf die andere Seite. Der wandernde Handwerker, der Händler, der Arzt, alle wollten möglichst ohne Umweg ans Ziel. Brücken verkürzen nicht nur Wege, Brücken geben Sicherheit und Geborgenheit.
In dieser Nummer fällt auf, wie viele Brücken im Zusammenhang mit der Eisenbahn nötig waren: Schiene über Strasse, Schiene über Gewässer, Strasse über Schiene. Variationen in Stahl und Stein. Erinnerungen an die Pionierzeit der Eisenbahn werden wach, eine Zeit, von der viele Male im Cliärwwer Kanton die Rede war.
Natürlich haben Brücken hohen Symbolwert. Brücken verbinden. Und liegt nicht die hohe Kunst der Diplomatie darin, « goldene Brücken » zu bauen, jene Brücken, die allen Seiten erlauben, das Gesicht zu wahren. Vielleicht kommt sie aber erst, die grosse Zeit der Brücken. Die Zeit der Brücken zwischen den Kontinenten, zwischen den Kulturen, zwischen den Religionen. Die Epoche der Brücken, die die Menschen der Erde zusammen führen. Wir alle können dazu beitragen, diese Brücken zu bauen. Wir sollten es tun.