Léon Braconnier

Eine Route zwischen Himmel und Erde

Zum Glück beobachten die Augen nicht immer die Tachonadel. Denn Straße und Verkehr verlangen höchste Aufmerksamkeit. Da werden es dann auch mal an die 100 Stundenkilometer, anstatt der vorgeschriebenen 90. Jetzt, zum Beispiel. Etwas Druck vom Gaspedal nehmen. So, nun fahren wir wieder nach Vorschrift. Schwere und schwerste Unfälle sind dieses Jahr schon auf der N7 passiert, der dreispurigen Trasse zwischen Ettelbruck und der Nordspitze. Es hat Leserbriefe gegeben, einen Artikel im Cliärrwer Kanton, die « Commission de circulation de l’Etat » berät sich. Etwas wird wohl geschehen, das Fahren auf der « Dreibahn » droht zum Vabanquespiel zu werden. Aber immer wieder versteht es die N7 die Gefahr zu verschleiern, ja, sich durchaus attraktiv zu präsentieren. In weiten, eleganten Bögen führt die Straße über die wellige Höhe, erlaubt eine Sicht bis weit in Rheinland-Pfalz hinein. Eine Route zwischen Himmel und Erde. Droben, majestätisch, der Rotmilan. Für ihn sind die vielen Autos, Lieferwagen, Laster, Busse nur Dinky Toys Modelle.

Ich bin auf dem Heimweg. Luxemburg. Mersch. Mersch ist die letzte Ampelortschaft. Nördlich von Mersch stehen keine Ampeln mehr. Die ganze Nordhälfte des Landes, eine ampelfreie Zone! Freie Fahrt im Ösling! Außer, und das nur gelegentlich, mal eine Ampel auf einer Baustelle. In Ulflingen an der Brücke, zum Beispiel. Das Stück Nordautobahn. Ettelbrück. Friedhaff. Alles schon hinter mir. Nun kommt Hoscheid-Dickt. « An der Houschter Déckt », hatte mein Vater mir des Öfteren gesagt, « an der Houschter Déckt ass et emmer am Schlemmsten ». Er sprach von den Wetterbedingungen. In der Tat, Nebel, Eisregen, Schneegestöber lassen in der « Houschter Déckt » und Umgebung keinen Zweifel zu. Man ist im Ösling angekommen. Obwohl die Winter Ihren Schrecken von einst verloren haben, einige Celsiusgrad weniger und Wetterkapriolen markieren doch einen Unterschied zum Gutland.

Rond-Point Hosingen. Die Pforte des Kantons. Vieles hat sich hier oben gewandelt. Die alte Kurve ist, ganz im Trend der Zeit, einem modernen Kreisverkehr gewichen. Minimaler Verlust von Zeit, aber Gewinn an Sicherheit. Tankstelle, Möbel, Gebrauchtwagen, Türen und Tore, Neuwagen, Industriezone. Der Verkehr hat von Jahr zu Jahr zugenommen. In den Spitzenstunden wird aus dem beschaulichen Hosingen ein nicht ungefährlicher Eng-pass. Viele Einwohner sehnen die geplante Umgehungsstraße herbei, lieber heute als morgen.

Der Sendemast, so hoch wie der Eifelturm.

An der Ausfahrt der Ortschaft, auf der linken Seite, stand früher ein etwas seltsames Schild: « Hosingen vous remercie de votre visite ». Was ist daraus geworden? Vor Marnach, etliche, etwas hausbackene Schilder: Einladungen auf Abende für die Jugend. Auf Kirmesbälle. Und der offizielle Hinweis auf die « Family of Man », weiß auf braun. Ausfahrt in Richtung Kantonalhauptstadt. Auch ein niederländischer Campingwagen biegt ab. Im Zeitlupentempo. Einkaufszentrum. Wieder Möbel, Supermarkt, Bekleidung, Tankstelle mit Blumen, Zeitschriften, Brötchen, Motoröl und Pizzas für kleine und flinke Verkehrsteilnehmer, etwas weiter die Alternative für große und behäbige.

Überall ist der Wandel unübersehbar. Die Sendemasten, nicht mehr unumstritten. Steht ihr Umzug bevor? Das neue Kulturhaus Cube 521, in Holz und Glas. Der Bau, zu Beginn auch nicht unumstritten. Aber nun freut sich jeder, wenn das Haus am 17. November 2007 seine Türen öffnen wird. Ein Traum wird wahr. Musik und Tanz, Theater, Emotionen.

Wohin man schaut: Neubauten. « Cités » wachsen aus dem Boden, eine Ortschaft ohne « Residence », heute fast undenkbar. Zwei leere Busse kreuzen sich, für die allermeisten Brummis über 3,5 Tonnen ist Clerf seit einigen Monaten gesperrt. Das bekannte, ewig faszinierende Panorama mit Himmel, Wolken, Abtei, Kirche und Schloss. Abtei und Kirche an die hundert Jahre alt, das Schloss über 800. Überall wird gebaut, die Metamorphose der « Maison St. François », der Ausbau der « Résidence des Ardennes ». Auf einem Gelände nahe am Bahnhof soll in den nächsten Jahren ein Lyzeum errichtet werden. Wann es seine Türen öffnen wird, steht leider noch in den Sternen. Ebenso, ob es den Namen « Lycée Tony Bourg » tragen wird.

Und dann bin ich zu Hause. Es ist Samstagabend. Ich spüre die Ruhe und den Frieden des Öslings, atme die Stille ein. Es ist 20.30. Droben über der Ortschaft läuten die Glocken der Abtei. Gleich werden die gesprochenen und die gesungenen Gebete der Mönche an die Himmelstür klopfen. Salve Regina.

Der Rotmilan hört mit, zieht weite, weite Kreise.