Léon Braconnier

Wintermärchen…

Vorbei die Zeiten wo Frost und Schnee das Leben von Dezember bis März diktierten? Die Anhänger der globalen Erwärmungstheorie sind unermüdlich, mahnen, warnen. Tatsächlich senden schmelzende Gletscher und schrumpfende Eisberge eine durchaus beunruhigende Nachricht an die Menschheit.

Von vielen schon abgeschrieben, unangemeldet also, kam der Winter dann doch noch einmal zu Besuch.

Dezember 2009, Januar und Februar 2010 wurden ihrem Ruf als strenge Wintermonate mehr als gerecht. Europaweit brachten frostige Temperaturen, Schnee, gefrierender Nebel und Eisregen zeitweise den Verkehr zum Erliegen, in so mancher Groß- oder Kleinstadt ging gar nichts mehr. Auch in unserer Hauptstadt geriet die Lage fast aus dem Ruder. Zahlreiche Gegenden deklarierten Streusalz als Mangelware. Es schien, als ob die Natur mit aller Macht beweisen wollte, dass der Winter keineswegs ausgewandert ist. Dass er, als Teil der Natur, uns Menschen immer noch überfordern kann, nicht nur die Leichtsinnigen mit den Sommerreifen.

Die Wetterspezialisten vom Findel maßen für den Dezember eine Durchschniftstemperatur von 1,2 Grad Celsius, für den Januar durchschnittlich gar -2,1° C. Die ersten 20 Februartage gehörten noch dem Schnee, die restlichen beherrschte der Dauerregen. Dann, am 28., fegte das beeindruckende Orkantief Xynthia über Europa, mehr als 60 Personen fanden den Tod.

Auch der März war vorwiegend ein Wintermärz mit Schnee und Frost. Erst am 17. meldete sich zum ersten Mai der neue Frühling. Dennoch, man wird jetzt wohl mit allerlei Zahlen und Statistiken zu beweisen wissen, dass der vergangene Winter im Grunde nicht so streng war und dass die globale Erwärmung beileibe nicht angezweifelt gehört. Über den Klimawande gibt es eh unterschiedliche Ansichten. Da das Weltklima seit Menschengedenken einen zyklischen Verlauf hat, sind nicht alle im gleichen Maße von den medienwirksam verbreiteten Hiobsbotschaften alarmiert. Wenn man von einem Erdalter von etwa 4,55 Milliarden Jahren ausgeht, hat ein nur von wenigen Jahrzehnten dokumentierter vermeintlicher Klimawechsel keinerlei statistische Relevanz. So lange in unseren Breitengraden die « Sommertouristen », wie noch im Juli 2009, in Anoraks umherlaufen, sollten wir uns nicht allzu viel aufregen.

Während den Monaten zum Jahreswechsel 2009/2010 haben die Menschen tatsächlich wieder eine echte kalte Jahreszeit erlebt. Sie haben den eisigen Ostwind in den Gesichtern gespürt, wurden vom gefährlichen Eisregen überrascht, staunten über das nicht enden wollende Schneetreiben. Während die einen nicht müde wurden, die strahlend weiße Landschaft zu bewundern, fasziniert vom Zauber der verschneiten Wälder berichteten, sehnten sich andere nach dem Ende des Winters, träumten von der Frühlingssonne. Wie auch immer, wer unterliegt nicht der Magie des Raureifs an Sträuchern und Bäumen, Inbegriff von Winterpracht?

Ich möchte aber von einem sehr persönlichen Erlebnis berichten. In der Winternacht vom 13. zum 14. Februar 2010 waren meine Frau und ich mit dem Auto unterwegs, und zwar auf jener N7, die die Amerikaner 1944 Skylinedrive tauften. Es war bitterkalt und es schneite. In einen Schneeschauer hinein fahren ist wie eine Fahrt durch einen weißen Tunnel, das Auto scheint die fallenden Flocken aufzusaugen. Aber in jener Nacht war es kein gewöhnlicher Schnee, es fielen nicht jene üblichen Watteflocken, die aus verklebten Eiskristallen bestehen. Nein, im hellen Kegel der Scheinwerfer blitzten vom Himmel herab Abermillionen von kleinen Kristallen, jede einzelne Schneeflocke ein funkelnder Diamant. Und die Diamanten bildeten den schönsten Teppich, den unsere Augen je gesehen hatten. In jener Nacht waren nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs, der zentimeterdicke Teppich, der sich kilometerlang vor uns ausbreitete, war vollkommen unversehrt. Die sanfte und schier lautlose Reise durchs Diamantentreiben wurde zur Zauberfahrt durch Raum und Zeit. In den glitzernden Wirbel mischten sich Kindheitserinnerungen an all die Winter des Lebens, an Schlittenfahrten und Schneeballschlachten, an Eiszapfen und an die Weihnachtsfeste von früher. Es war, als ob Glück vom nächtlichen Himmel rieselte, pures Glück.

Obwohl ich Tagen wie dem 14. Februar nur wenig abgewinne, dankte ich doch dem Himmel für diese Gabe. Vielleicht war es tatsächlich ein heimliches Geschenk an alle Liebenden dieser Welt. Und das sind wir ja wohl alle.