Léon Braconnier
Etwas Wehmut…
…klammheimlich vielleicht eine Träne im Auge, oder zwei, wieder ist Clerf ärmer geworden. Klar, es waren nur Spielzeugloks, die das kleine Städtchen an den Ufern der Clerve verlassen haben, Dampfmaschinen, Zinnsoldaten, Feuerwehrautos, Schaukelpferde, Puppen, Baukästen. Auch wenn das Verschwinden von Märklin, Käthe Kruse, Dinky Toys, Schuco und Co. aus dem Haus mit der Nummer 9 in der Großgasse nicht das Ende einläutet, es ist dennoch ein Stück Untergang. Mit der Abreise der Teddybären, etliche mit Knopf im Ohr, hat das Ardennerstädchen einen Traum ausgeträumt, hat auf immer ein Stück Magie verloren. Das Spielzeugmuseum war wie die zauberhafte Werkstatt von Meister Gepetto, fast wie ein Stück Himmel, und zwar jenes Stück, in dem die Spielzeugfabrik des Weihnachtsmannes weiße Kinderträume in bunte Wirklichkeit verwandelt. Aber nun hört man, dass es dem neuen Besitzer des Hauses mit der Nummer 9 gelungen ist, einen Teil der Sammlung zu retten. So scheint nicht alles verloren. Ein Lächeln gesellt sich neben die Trauer. Und bliebe auch nur ein kleiner Teil des Schatzes, das Gedenken würde weiter leben, die Erinnerung an das Spielzeugmuseum am Fuß des alten Schlosses, das seinerseits an verschiedenen Tagen und an ganz besonderen Stunden wie ein Märchenschloss daher kommt. Als der Allmächtige das Panorama unseres Städtchens ersann, zu Papier brachte und baute, da hatte er einen besonders guten Tag. Denn Panoramas dieser Güteklasse gibt es wenige nur in unserem Land. Der geneigte Leser wird wohl an unsere Hauptstadt denken, vielleicht an Vianden. Auch diese Entwürfe sind Meisterwerke. Mag sein, dass Luxemburg und Vianden grandioser ausgefallen sind, in den Wäldern um Clerf aber vermutet man eher das Magische, eine Zauberwelt mit Zwergen und Kobolden, Raubrittern, Feen, Elfen und sprechenden Tannen. Diese Magie hat René Maertz in so manche seiner Aquarelle hinein gezeichnet, ich habe sie also wahrhaftig nicht erfunden.
Man erzählt, im alten Schloss, manche sagen in der alten Burg, habe es einen Geheimgang gegeben, der den Eingeschlossen im Falle einer Belagerung die Flucht erlaubte. Man hat diesen mysteriösen Gang allerdings nie nachweisen können. Vielleicht aber haben ihn einige Zinnsoldaten, Dampflokomotiven und Teddybären entdeckt und zur abenteuerlichen Flucht in die verschollenen Schlosskeller genutzt. Es besteht Hoffnung! Wir können und müssen weiterträumen. Denn das Ardennerstädtchen ist schon oft beim Träumen ertappt worden. Viele Kriege lang sehnte es sich nach Frieden und betete in diesen dunklen Zeiten für seine Bewohner, das letzte Mal im Winter 1944/45. Nun aber herrscht Eintracht, oder fast, zwischen Europas Nationen, das alte Schloss wurde zur Herberge für Edward Steichens Family of Man auserkoren. Friede den Menschen auf der ganzen Welt.
Etwas Wehmut, klammheimlich vielleicht eine Träne im Auge, oder zwei. Adieu ihr wundervollen Spielzeugträume aus einer anderen Zeit. Etwas Wehmut schwebt eh über der nun winterlichen Stadt, auch weil der Traum von einem Lyzeum wohl bis auf weiteres eine Illusion bleibt. Etwas Wehmut, weil die Pforten der weltberühmten Family of Man zwei Jahre geschlossen bleiben. Aber eines Tages, da sind wir uns sicher, da wird alles gut werden.
De Cliärrwer Kanton wünscht all seinen Leserinnen und Lesern ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!