Léon Braconnier

Beeindruckende „neue“ Family Of Man!

Am 12. Dezember 2013 hatte unsere Vereinigung die Mönche der Benediktinerabtei ins Clerfer Schloss zu einer Besichtigung der Family of Man eingeladen. Die Chefin Anke Reitz ließ es sich nicht nehmen, die Gäste persönlich zu empfangen und durch die verschiedenen Säle zu geleiten.

Für alle Beteiligten sollte es ein nachhaltiger Nachmittag werden. Einmal mehr wurden wir uns bewusst, welch außerordentlichen Schatz das Clerfer Schloss hortet. Museographisch auf dem neuesten Stand, hätte die Ausstellung ohne Zweifel in jeder Weltmetropole ihren Platz. Das zeitgenössische, minimalistische Ambiente mit seinem kargen Mix an Farben und Formen verschmilzt in seltener Harmonie mit dem Erlebnis, sich in historischen Mauern zu befinden.

Wie aber würden die Mönche die rundum erneuerte Ausstellung aufnehmen?

Wie würden sie die 503 Fotos angehen? Sie auf historische Zeitdokumente, auf fotographische Meisterleistungen reduzieren? Oder darüber hinaus als Einladung zum Gespräch, zur Besinnung?

Unwillkürlich musste ich an den bemerkenswerten Beitrag von Rosch Krieps „Museum oder Mission?“ (nos cahiers 2000, 2-3) denken. Tatsächlich sind beide Facetten, Museum oder Mission, am Ende doch nur eine Medaille. Nur durch das Zusammenwirken beider Seiten kann man die ganze Tragweite der „Family of Man“ ermessen, und es ist beileibe kein Zufall, dass die UNESCO die Originalbilder der Ausstellung in das prestigeträchtige Register „Mémoire du Monde“ aufgenommen hat.

Man konnte an jenem Tag so manches in den Gesichtern der Mönche lesen. Ihren Augen folgen, die über die Bilder wanderten, über all das was das Leben ausmacht. Bilder des Glücks, der Freude, des Lächelns, der Begeisterung, der Liebe, der Hoffnung. Bilder des Leids, der Tränen, der Bitterkeit, des Todes. Die Gesichter der Benediktiner waren der Spiegel für 503 Bilder, für all die Schattierungen des Lebens von der Geburt bis zum Tod. Für all die Geschichten von Händen die umarmen und von denen, die Verderbnis bringen. Wir alle haben an jenem Nachmittag das zarte Flüstern der Verliebten vernommen, und leider auch den Verzweiflungsschrei der Frau aus Palestina.

Von der Betroffenheit bis zur Freude, vom amüsierten Staunen bis zum Schweigen, die Skala des Empfindens schien endlos.

The Family of Man. Wir sind alle die gleiche Familie. Wieso flammt auf dem blauen Planeten immer wieder Hass auf, Fanatismus, Nationalismus, Verachtung? Wieso schenkt der Allmächtige der Ungerechtigkeit, der Armut und dem Krieg tausend Leben?

Warum gelingt es der Menschheit trotz Bildung und reichhaltiger Erfahrung nicht, in Frieden zu leben, in Würde, in Freiheit, in Harmonie mit den Mitmenschen, den Tieren und der Natur?

Am Ende der Besichtigung badet man in einem Gefühl der Demut, aber auch der Hoffnung. Kaum vorzustellen, dass die Ausstellung einen Besucher kalt lässt! Es ist schon seltsam, dass jeder für sich von diesem oder jenem Bild in seinem tiefen Innern berührt wird.

Es ist dann, als ob sich eine Tür öffne, um Licht oder Schatten in einen hinein fließen zu lassen. Und dann ist man ganz nahe dran, an dem Moment wo vor langer Zeit ein Film belichtet wurde, wo ein perfektes Zusammenspiel von Blende, Verschlusszeit und Linse den Blick eines Fotographen verewigt haben. Und Du stehst dann vor dem Foto, das auf weißem Corian von nur 50 Lux angestrahlt wird, vergnügt, staunend oder tief berührt.

Der Besuch der Benediktiner hatte um 14:45 Uhr begonnen. Als sie das Schloss verließen, hatte sich der Mantel der Dunkelheit schon über das Ardennerstädtchen ausgebreitet.

Ich bin überzeugt, dass die Clerfer Mönche sich auf dem Heimweg bewusst waren, dass ihre Gebete vielleicht mehr denn je gebraucht werden. Auf dass die Menschen der Welt endlich verstehen, dass sie eine Familie sind. Unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Glauben, Beruf, Vermögen.

Möge der Besucherstrom der neuen, beeindruckenden “ Family of Man » in den kommenden Jahrzehnten nie versiegen!